Die Abschaffung des Eigenmietwertes ist seit Jahrzenten immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Nun hat sich das Parlament für einen Systemwechsel ausgesprochen. Allerdings gibt es noch Differenzen zwischen den beiden Räten. Die Vorlage konnte in der Wintersession nicht bereinigt werden und geht nun zurück an die grosse Kammer.
1. Zeit für einen Systemwechsel?
Das aktuelle System sieht vor, dass Hauseigentümer für selbst genutzte Liegenschaften einen kalkulierten Mietwert als Einkommen versteuern müssen. Im Gegenzug können die Liegenschaftsunterhaltskosten und die Hypothekarzinsen vom steuerbaren Einkommen in Abzug gebracht werden. Diese Systematik wird seit vielen Jahren kritisiert. Zum einen gestaltet sich die Ermittlung der (fiktiven) Marktmiete schwierig und aufwändig. Zum anderen kann die Möglichkeit der steuerwirksamen Abzüge falsche Anreize setzen und damit eine hohe Privatverschuldung begünstigen. Schliesslich führt die Eigenmietwertbesteuerung bei Rentnern zu einer übermässig hohen Belastung, da diese oft die Hypothekarschuld weitgehend amortisiert haben und deshalb den vollen Eigenmietwert als Einkommen versteuern müssen.
2. Wird der Eigenmietwert nun abgeschafft?
Der Eigenmietwert wurde 1934 per Notrecht als «eidgenössische Krisenabgabe» zur Gesundung des Bundeshaushaltes eingeführt und 1958 ins reguläre Recht übernommen. Seither ist die Abschaffung zweimal an der Urne (1999 und 2012) und mehrmals im Parlament gescheitert.
Im Jahr 2016 hat der Hauseigentümerverband (HEV) mit seiner Petition «Eigenmietwert abschaffen», die er dem Parlament übergeben hat, den Stein wieder ins Rollen gebracht. Im Februar 2017 reichte die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-S) die Kommissionsinitiative «Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung» ein, welche die Forderung der Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung bei selbstgenutztem Wohneigentum am Hauptwohnsitz beinhaltete. Im Jahr 2021 wurde der Entwurf des Bundesgesetzes über den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung publiziert.
Der Gesetzesentwurf sieht keine Eigenmietwertbesteuerung bei Erstliegenschaften mehr vor. Im Gegenzug können Unterhaltskosten nicht mehr und die Schuldzinsen nur noch zu siebzig Prozent in Abzug gebracht werden. Ausnahmen sind nur für denkmalpflegerische Arbeiten sowie für Schuldzinsen im ersten Steuerjahr nach dem Erwerb im reduzierten Rahmen vorgesehen.
Im Juni 2023 hat der Nationalrat die Vorlage zum Bundesgesetz über den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung beraten und unterstützt. In weiten Teilen stimmte die Vorlage des Nationalrats mit dem vorangehenden Beschluss des Ständerats überein. Eine unterschiedliche Meinung bestand jedoch hinsichtlich der Behandlung von Zweitliegenschaften und dem Schulzinsenabzug. Die Vorlage ging deshalb in die Differenzbereinigung.
Nach mehreren Sitzungen im Sommer 2023 hat die WAK-S am 9. November 2023 die Beratungen zum Bundesgesetz über die Wohneigentumsbesteuerung abgeschlossen und empfiehlt dem Ständerat, an dem bereits 2021 gefassten Beschluss zur Abschaffung der «Eigenmiete»-Steuer vollumfänglich festzuhalten, womit nach wie vor in den eingangs genannten Punkten Differenzen bestehen. In der Wintersession hat sich der Rat nun gegen die vollständige Abschaffung des Eigenmietwertes ausgesprochen, womit die Vorlage an den Nationalrat zurückgeht.
3. Welche Differenzen bestehen noch?
Uneinigkeit besteht derzeit noch in den Fragen, ob der Eigenmietwert nur für den Erstwohnsitz (Meinung Ständerat) oder auch für Zweitliegenschaften (Meinung Nationalrat) abgeschafft werden soll. Die vollständige Abschaffung würde bei den Tourismusorten zu Steuerverlusten führen. Im Gegenzug wäre eine teilweise Abschaffung kaum mit dem Gleichbehandlungsgebot zu vereinen. Einigkeit besteht hingegen über die Abschaffung des Unterhaltsabzugs. Für die Streichung des Schuldzinsenabzugs wird allerdings eine differenziertere Lösung benötigt, da Schuldzinsen, die nicht im Zusammenhang mit Hypothekarschulden stehen, grundsätzlich absetzbar sind. Ohne Regelung könnte dies aber die Steuerpflichtigen dazu verleiten, die Hypothekarschulden der selbstbewohnen Liegenschaft zu amortisieren und andere Vermögenswerte zu belehnen. Aktuell sind Schuldzinsen in der Höhe der Vermögenserträge plus weiteren 50’000 Franken zulässig. Der Ständerat will Schuldzinsen künftig nur noch zu siebzig Prozent zulassen. Der Nationalrat erachtet einen Abzug von vierzig Prozent als angemessen.
4. Wie weiter?
Der Ständerat hat in der Wintersession 2023 keine Annäherung an den Nationalrat gemacht und will den Eigenmietwert für Zweitwohnungen weiterhin nicht abschaffen, womit das Geschäft an den Nationalrat zurückgeht.
Gegenwärtig arbeitet die Nationalratskommission eine Vorlage zur Schaffung einer Verfassungsgrundlage für die Einführung einer Objektsteuer auf Zweitwohnungen aus. Eine solche Objektsteuer könnte den wegfallenden Eigenmietwert für Zweitwohnungen ersetzen und somit eine Lösung für eine der beiden Differenzen darstellen. Bis zur Umsetzung wird es somit wohl noch mehrere Jahre dauern.
Für den Fall, dass die Differenzen bereinigt werden können, wird erwartet, dass gegen die Abschaffung das Referendum ergriffen wird und das Volk über die Abschaffung abstimmen kann. Dies würde die Abschaffung noch weiter verzögern. Bei einem positiven Volksentscheid ist zudem eine Übergangsfrist zu erwarten.
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