Steueroptimierung durch kluge Sitzwahl?

Die Steuerbelastungsunterschiede zwischen den Kantonen sind teilweise beträchtlich. Zug verfügt derzeit über einen Gewinnsteuersatz (Bund, Kanton und Gemeinde) von rund 11.8 %, Bern von gut 21 %. Derartige Differenzen führen bisweilen zum Entschluss, den Sitz einer neuen Gesellschaft in einem steuergünstigen Kanton zu begründen oder denjenigen einer bestehenden Gesellschaft dorthin zu verlegen. Allerdings ist in konkreten Einzelfällen zu prüfen, ob der Sitz, wie er in den Gesellschaftsstatuten steht, steuerlich allein massgebend ist.

Ausgangslage für die Beurteilung bildet das Prinzip, wonach eine juristische Person nur an einem Ort, nämlich ihrem sog. Hauptsteuerdomizil, unbeschränkt steuerpflichtig ist. Dieses befindet sich entweder am statutarischen Sitz oder aber am Ort der tatsächlichen Verwaltung.

Der statutarische Sitz ist stets dann massgebend, wenn ihm nicht bloss formelle Bedeutung zukommt. Ist dort aber nur der sprichwörtliche Briefkasten vorhanden, wird für die steuerrechtliche Qualifikation des Hauptsteuerdomizils auf den Ort der tatsächlichen Verwaltung abgestellt. Im interkantonalen Verhältnis ist nach heutiger Rechtsprechung nicht vom Primat des statutarischen Sitzes auszugehen.

Die tatsächliche Verwaltung liegt gemäss Praxis des Bundesgerichts dort, wo eine Gesellschaft ihren wirtschaftlichen und tatsächlichen Mittelpunkt hat bzw. wo die normalerweise am Sitz ausgeübte Geschäftsführung besorgt wird. Entscheidend ist somit die Führung der laufenden Geschäfte im Rahmen des Gesellschaftszwecks. Nicht relevant ist der Ort der Verwaltungsratssitzungen, der Generalversammlungen oder der Wohnsitz der Aktionäre. Eine Ausnahme liegt dann vor, wenn sich die Geschäftsführung auf eine Person konzentriert, die ihre Tätigkeit an verschiedenen Orten wahrnimmt, ohne dass die Gesellschaft über feste Einrichtungen und eigenes Personal verfügt.

Nehmen wir an, dass sich der statutarische Sitz einer Gesellschaft im Kanton Zug befindet. Gleichzeitig nimmt der Kanton Bern für sich in Anspruch, den Ort der tatsächlichen Verwaltung bei sich zu haben.

Interessant ist in diesem Fall die Beweislastfrage. Der Zuger Sitz als Hauptsteuerdomizil gilt in der Regel aufgrund des Handelsregistereintrags zunächst als vermutet bzw. bewiesen. Der Kanton Bern hat deshalb die Umstände darzulegen und seinerseits zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass im Sitzkanton Zug bloss ein Briefkasten vorhanden ist und die tatsächliche Verwaltung in Bern besorgt wird.

Erscheint aufgrund des konkreten Sachverhalts der durch den Nicht-Sitzkanton Bern geltend gemachte Ort der tatsächlichen Verwaltung als sehr wahrscheinlich, kann diese Feststellung gemäss Gerichtspraxis bereits als Hauptbeweis «pro Bern» genügen. Die Beweislast kippt mithin zur Gesellschaft. Es obliegt in diesem Fall ihr, den Gegenbeweis für den von ihr behaupteten Ort der tatsächlichen Verwaltung am Zuger Sitz zu erbringen.

In der Praxis wird standardmässig geprüft, ob am statutarischen Sitz hinreichende Substanz vorhanden ist, die automatisch darauf schliessen lässt, dass die Gesellschaft auch tatsächlich am Sitz verwaltet wird. Diesem Aspekt ist deshalb sowohl bei Neugründungen als auch bei Sitzverlegungen die nötige Beachtung zu schenken. Insbesondere Sitzverlegungen von Hochsteuerkantonen in Niedrigsteuerkantone, wie bspw. von Bern nach Zug, veranlassen die Wegzugskantone in der Praxis sehr häufig, die tatsächlichen Umstände vertieft zu prüfen.

Eine vermeintlich kluge Sitzwahl oder -verlegung kann im Übrigen zu äusserst unangenehmen Doppelbesteuerungssituationen führen. Hat der Sitzkanton Zug die Gesellschaft steuerlich bereits veranlagt, verzichtet er nicht ohne weiteres auf seinen Steueranspruch, wenn nachträglich festgestellt wird, dass sich das Hauptsteuerdomizil im Kanton Bern befindet. Dem Prinzip, dass eine interkantonale Doppelbesteuerung nicht eintreten darf, kann seitens der Zuger Behörden entgegengehalten werden, dass die Gesellschaft im Bewusstsein der tatsächlichen Verwaltung im Kanton Bern im Sitzkanton Zug ihre Steuern ohne Vorbehalt zahlte. Damit wird ein treuwidriges und rechtsmissbräuchliches Verhalten unterstellt, das sich für die Gesellschaft äusserst nachteilig auswirken kann.

Es bleibt die Empfehlung, den statutarischen Sitz im Rahmen einer Gesellschaftsgründung, aber auch in bereits bestehenden Strukturen und insbesondere bei Verlegungsabsichten auf seine steuerliche Belastbarkeit hin zu prüfen. Ein vermeintlich cleverer Sitzentscheid kann sich als Bumerang erweisen.

Haben Sie Fragen allgemeiner Art oder wurden Sie hinsichtlich Sitzfragen bereits durch eine Steuerbehörde kontaktiert, zögern Sie bitte nicht, sich mit unseren Steuerspezialisten in Verbindung zu setzen.

Autor

Mathias Josi
dipl. Steuerexperte

Lesezeit: 5 Min 20. September 2023