Überarbeitung Swiss GAAP FER 30 «Konzernrechnung»

Die Fachkommission der Stiftung für Fachempfehlungen zur Rechnungslegung beschloss im Jahr 2017, den Standard Swiss GAAP FER 30 «Konzernrechnung» einem Überprüfungsverfahren zu unterziehen. Der Standard warf bei Anwendenden verschiedene Fragen auf und es fehlten teilweise wichtige Präzisierungen. Die Öffentlichkeit konnte sich in diesem Überprüfungsverfahren zur Fachempfehlung äussern. Dabei wurde verschiedener Handlungsbedarf identifiziert. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse beschloss die Fachkommission, Swiss GAAP FER 30 zu überarbeiten. Dabei wurde der Ausrichtung als prinzipienorientiertem True- & Fair-view-Rechnungslegungsstandard weiterhin Sorge getragen. Im Folgenden werden die wichtigsten Änderungen des per 1. Januar 2024 in Kraft tretenden Swiss GAAP FER 30 erläutert.

Behandlung Goodwill und negativer Goodwill

Im Zuge der Überarbeitung wurde diskutiert, ob das Wahlrecht zur Aktivierung des Goodwills oder zur sofortigen Verrechnung des Goodwills mit dem Eigenkapital beibehalten werden soll. Da in der Schweiz beide Systeme etabliert sind, wurde das duale Konzept beibehalten und der Standard nicht den IFRS angenähert, in denen lediglich die Aktivierung des Goodwills inklusive «impairment-only»-Ansatz zulässig ist. Dennoch wurde das Konzept der Goodwillverrechnung im Eigenkapital weiterentwickelt und präzisiert.

Bei einer Akquisition und somit einer erstmaligen Konsolidierung einer Konzerngesellschaft ist für die übernommenen Nettoaktiven eine Neubewertung erforderlich. Dabei sind neu auch vormals nicht erfasste, für den Kontrollerwerb aber entscheidungsrelevante, immaterielle Vermögenswerte zu identifizieren und zu bilanzieren. Diese immateriellen Werte können beispielsweise Marken, Patente, Lizenzen, IT-Plattformen oder den Kundenstamm umfassen. Dadurch erhöhen sich die Nettoaktiven und folglich vermindert sich der Goodwill. Unternehmungen, die den Goodwill als Differenz zwischen den Anschaffungskosten und den übernommenen Nettoaktiven aktivieren und systematisch abschreiben, können bei einer Übernahme auf die Identifikation dieser nicht bilanzierten, aber entscheidungsrelevanten immateriellen Werte weiterhin verzichten. Dies lässt vermuten, dass in Abweichung zur bestehenden Regelung die Möglichkeit zur Goodwillverrechnung an Attraktivität verlieren resp. die Höhe des zu verrechnenden Goodwills kleiner werden soll.

Die folgende Grafik illustriert die Auswirkungen dieser neuen Regelung auf den Goodwill. Bisher galt sowohl bei der Aktivierung als auch bei der Verrechnung mit dem Eigenkapital die Höhe des Goodwills 1. Zudem ist der im Vergleich zur bisherigen Regelung neu kleinere Goodwill 2 bei Verrechnung mit dem Eigenkapital ersichtlich. Alternativ ist weiterhin die Aktivierung in Höhe des Goodwills 1 erlaubt. Dieses Wahlrecht und die buchhalterischen Folgen haben jedoch stetig und in Übereinstimmung mit den konzerninternen Richtlinien zu erfolgen.

Weiter wurde in Ergänzung zur bestehenden Regelung die Abschreibungsdauer des Goodwills präzisiert. Während bis anhin die Abschreibungsdauer in der Regel fünf Jahre betrug, darf neu die geschätzte Nutzungsdauer 20 Jahre nicht übersteigen. Sofern die Nutzungsdauer nicht bestimmt werden kann, erfolgt die Abschreibung über einen Zeitraum von fünf Jahren.

Zudem wurden die Regeln zum negativen Goodwill (Badwill oder lucky buy) überarbeitet. Neu besteht hierfür analog zur erwähnten Goodwillbehandlung ein Wahlrecht zwischen der Sofortverrechnung mit dem Eigenkapital oder der Passivierung und erfolgswirksamen Auflösung über maximal fünf Jahre. Konsequenterweise ist das festgelegte Wahlrecht bei einer Übernahme mit Goodwill im Umkehrschluss auch bei lucky buy’s zu befolgen.

Neue Regelung bei schrittweisem Anteilserwerb / -verkauf

Swiss GAAP FER 30 regelt neu die buchhalterische Behandlung eines schrittweisen Anteilserwerbs und -verkaufs. Konkret wird der positive oder negative Goodwill als Differenz zwischen den Anschaffungskosten und den anteiligen Nettoaktiven für jeden Akquisitionsschritt gesondert ermittelt. Erst beim Zeitpunkt des Kontrollübergangs hat eine Neubewertung der Aktiven und Verbindlichkeiten zu erfolgen. Sich bei dieser Neubewertung ergebende Bewertungsdifferenzen für die bisher bestehenden Anteile sind direkt im Eigenkapital zu erfassen. Damit wird sichergestellt, dass bei einer Vollkonsolidierung die Nettoaktiven zu aktuellen Werten bilanziert werden.

Bei einem zusätzlichen Erwerb von Minderheitsanteilen erfolgt die anteilsmässige Ermittlung des Goodwills ohne Neubewertung der zugrundeliegenden Nettoaktiven. Ebenso wurde das Vorgehen bei Anteilsverkäufen präzisiert. Der Erfolg aus einer Veräusserung ist im Periodenergebnis zu erfassen. Der dazugehörige abgehende anteilige Goodwill bzw. negative Goodwill berechnet sich proportional zu den verkauften Anteilen und wird für jeden Anteilsverkauf einzeln berechnet und erfolgswirksam erfasst. Bei einem Verkauf weiterhin zu berücksichtigen ist das erfolgswirksame Recycling des am Zeitpunkt des Erwerbs mit dem Eigenkapital verrechneten Goodwills bzw. negativen Goodwills zu den ursprünglichen Anschaffungskosten. Dadurch hat die gewählte Methode zur Behandlung des Goodwills im Jahr der Veräusserung keinen unterschiedlichen Einfluss auf das Ergebnis in der Erfolgsrechnung.

Recycling von Fremdwährungsdifferenzen

Wie bisher sind zu konsolidierende Jahresrechnungen in Fremdwährung nach der Stichtageskurs-Methode in die Währung der Konzernrechnung umzurechnen. Die daraus entstehenden Fremdwährungsdifferenzen werden im Eigenkapital erfasst. Die Fremdwährungsumrechnungsdifferenz zwischen dem Ergebnis in der Bilanz und dem Ergebnis in der Erfolgsrechnung wird ebenfalls in der Konzernbilanz im Eigenkapital erfasst. Swiss GAAP FER 30 präzisiert neu die Ausbuchung von im Eigenkapital erfassten Fremdwährungsdifferenzen bei einem Kontrollverlust an einer Tochtergesellschaft oder einem Verlust des massgeblichen Einflusses an einer assoziierten Gesellschaften. Dabei sind die im Eigenkapital erfassten, kumulierten Fremdwährungsumrechnungsdifferenzen erfolgswirksam auszubuchen. Derselbe Ansatz ist auch für Fremdwährungseffekte auf langfristigen konzerninternen Darlehen mit Eigenkapitalcharakter (equity-like loans) anzuwenden.

Abbildung von Kaufpreisanpassungen beim Kauf von Beteiligungen (earn-outs)

In Swiss GAAP FER 30 wird neu geregelt, wie beim Kauf von Beteiligungen künftige Kaufpreiszahlungen (earn-outs) bilanziell abzubilden sind. Solche zukünftigen Kaufpreisverpflichtungen beim Kauf von Beteiligungen, abhängig beispielsweise von einer bestimmten Gewinngrösse wie dem EBIT, sind Teil der Anschaffungskosten und werden zum aktuellen Wert angesetzt, sofern ein Mittelabfluss wahrscheinlich ist. Zu jedem folgenden Bilanzstichtag erfolgt eine Neubewertung dieser zukünftigen Verpflichtung. Die veränderten Einschätzungen führen dabei zu einer erfolgsneutralen Veränderung des Goodwills. Sofern der Goodwill aktiviert (oder der negative Goodwill passiviert) und abgeschrieben (oder aufgelöst) wird, ist die Abschreibung des neuen resultierenden Goodwills über die Restnutzungsdauer vorzunehmen. Rückwirkende Anpassungen von bereits erfassten Goodwill-Abschreibungen sind nicht vorgesehen.

Wichtig zudem ist die Abgrenzung von Vergütungen, die vom Verbleib des bisherigen Eigentümers und Geschäftsleitenden in der Unternehmung abhängig ist. In einem solchen Fall handelt es sich nicht um einen Kaufpreisbestandteil, sondern um eine Vergütung, die erfolgswirksam verbucht werden muss.

Präzisierung Einbezug von assoziierten Organisationen

Die Bestimmungen zum Einbezug von assoziierten Unternehmungen in die Konzernrechnung wurden punktuell präzisiert. Dabei gilt weiterhin ein Stimmrechtsanteil von mindestens 20 %, der zum Vorliegen einer assoziierten Unternehmung und somit eines massgeblichen Einflusses qualifiziert. Zudem dürfen Organisationen, bei denen eine Obergesellschaft zwar weniger als 20 %, jedoch die Möglichkeit zur Mitwirkung bei geschäftspolitischen Entscheidungen besitzt, die entsprechende Organisation ebenfalls als assoziierte Unternehmung bilanzieren.

Basis für die Bilanzierung der Werte und den Einbezug in die Konzernrechnung solcher assoziierten Organisationen nach der Equity-Methode muss neu ein Abschluss der assoziierten Organisation in Übereinstimmung mit Swiss GAAP FER bilden. Sofern kein solcher Swiss GAAP FER-Abschluss erstellt wird, haben zumindest die wesentlichen Abschlusspositionen den Swiss GAAP FER-konformen, konzerninternen Richtlinien zu entsprechen. Für den Einbezug in die Konzernrechnung erfolgt zum Zeitpunkt der Erlangung des massgeblichen Einflusses eine Neubewertung der übernommenen Nettoaktiven. Jedoch ist diese Neubewertung lediglich für jene Aktiven und Verbindlichkeiten nötig, deren aktueller Wert wesentlich vom Wert abweicht, wenn Swiss GAAP FER schon immer angewendet worden wäre. Die Abstützung beispielsweise auf einen IFRS-Abschluss ist nur möglich, wenn bei den angewendeten Bewertungsgrundsätzen der einzelnen Positionen keine wesentlichen Differenzen zu Swiss GAAP FER bestehen.

Auch die Behandlung des Goodwills bei der Akquisition einer assoziierten Unternehmung wurde präzisiert. Während in den geltenden Regelungen ein Wahlrecht zwischen der gleichen Behandlung des Goodwills wie bei vollkonsolidierten Gesellschaften oder eine davon abweichende Behandlung erlaubt ist, sehen die Neuerungen nur noch erstere Variante vor. Bei einer Aktivierung des Goodwills ist dieser in der Bilanzposition «Anteile an assoziierten Organisationen» auszuweisen. Bei einer Verrechnung des Goodwills mit dem Eigenkapital sind bisher nicht bilanzierte und für den Kauf entscheidungsrelevante immaterielle Werte analog den Ausführungen in Abschnitt «Behandlung Goodwill und negativer Goodwill» zu bewerten und anzusetzen.

Weitere Neuerungen

Weitere Anpassungen im überarbeiteten Swiss GAAP FER 30 gibt es vor allem in folgenden Bereichen:

  • Offenlegung
    Im Eigenkapitalnachweis ist – sofern zutreffend – eine separate Spalte für den verrechneten Goodwill oder negativen Goodwill sowie die kumulierten Fremdwährungsumrechnungsdifferenzen auszuweisen. Weiter ist im Anhang bei einem Kauf oder Verkauf einer Tochter- resp. Gemeinschaftsunternehmung nebst den wesentlichen Bilanzpositionen neu auch der Einfluss der Erst- bzw. Dekonsolidierung auf die Nettoerlöse offenzulegen.
  • Stilllegung und Liquidation
    Analog zu den Bestimmungen bei einer Veräusserung ist die Berechnung und buchhalterische Behandlung des Goodwills bei Stilllegung oder Liquidation eines Geschäftsteils zu behandeln. Konkret ist der dazugehörige Goodwill zu ermitteln und erfolgswirksam auszubuchen.
  • Verbot Ansatz latenter Steuern auf Goodwill
    Bei der Neubewertung von übernommenen Nettoaktiven gibt es in der Regel Bewertungsdifferenzen zu den steuerlich massgebenden Werten der erworbenen Aktiven und Verbindlichkeiten. Für diese Differenzen sind wie bis anhin latente Steuern anzusetzen und bei zukünftigen Veränderungen diese entsprechend anzupassen. Neu ist explizit festgehalten, dass beim erstmaligen Ansatz von Goodwill im Rahmen einer Akquisition keine latenten Ertragssteuerschulden zu berücksichtigen sind.

Übergangsbestimmungen

Wie eingangs erwähnt, ist die neue Fachempfehlung erstmals für Berichtsperioden beginnend am oder nach dem 1. Januar 2024 anzuwenden. Dabei gilt es das Rahmenkonzept von Swiss GAAP FER zu beachten, das bei Änderungen von Grundsätzen der Rechnungslegung die Anpassung der Vorjahreszahlen verlangt. Dabei wird die Vorjahresrechnung angepasst (restatement), als wären die neuen Grundsätze schon immer angewandt worden (retrospektive Methode). Der neue Swiss GAAP FER 30-Standard sieht bei der Umstellung zwei Erleichterungsbestimmungen vor. Erstens entfällt eine retrospektive Anpassung für Akquisitionen respektive Veräusserungen vor dem 1. Januar 2024. Zweitens bestehen Erleichterungen bezüglich der erfolgswirksamen Ausbuchung von kumulierten Fremdwährungsdifferenzen. Wenn die Bestimmung der kumulierten Fremdwährungsumrechnungsdifferenzen pro Gesellschaft praktisch nicht durchführbar ist, können die Anwendenden eine einmalige Befreiung in Anspruch nehmen. Somit wird ein Neuanfang betreffend kumulierten Fremdwährungsdifferenzen ermöglicht. Wird von dieser Befreiung Gebrauch gemacht, ist dies im Anhang offenzulegen.

Die Auswirkungen sowie die Handlungsoptionen des überarbeiteten Standards auf die Konzernrechnung sind frühzeitig zu analysieren. Bei Fragen zur konkreten Umsetzung des neu anzuwendenden Swiss GAAP FER 30 stehen Ihnen unsere Expertinnen und Experten des Fachbereichs Wirtschaftsprüfung gerne zur Verfügung.

Autoren

Andreas Oester
dipl. Wirtschaftsprüfer

Daniel Zingg
dipl. Wirtschaftsprüfer

Lesezeit: 10 Min 8. August 2023