Mobiles Arbeiten und Telearbeit in der Regel zu Hause (Homeoffice) gehören inzwischen zum Alltag vieler. Durch eine neue multilaterale Vereinbarung werden ab dem 1. Juli 2023 nun auch die internationalen Unterstellungsregeln im Bereich der Sozialversicherungen der neuen Realität angepasst.
Einleitung
Waren vor der Pandemie dem hybriden Arbeiten im internationalen Verhältnis vor allem aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht enge Grenzen gesetzt, wurden diese während der Pandemie temporär ausser Kraft gesetzt. Die Möglichkeit, von überall aus zu arbeiten, hat sich seither zu einer weitverbreiteten Realität entwickelt und erfordert nun auch eine Anpassung der internationalen Unterstellungsregeln im Bereich der sozialen Sicherheit.
Im Verhältnis zur EU und EFTA galt bisher die Regelung, dass Grenzgänger und internationale Mitarbeitende, die bei einer Schweizer Unternehmung angestellt sind, nicht mehr als 25 % ihrer Tätigkeit in ihrem Wohnstaat ausüben dürfen. Wurde diese Schwelle überschritten, verschob sich die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung in den Wohnstaat und die Mitarbeitenden konnten nicht mehr bei den Sozialversicherungen ihres Arbeitgebers in der Schweiz versichert werden. Für die Mitarbeitenden hatte dies in der Regel schlechtere Versicherungsbedingungen und -leistungen zur Folge. Für die Unternehmungen bedeutete dies einen hohen administrativen Aufwand und zusätzliche Kosten, da sie für die Mitarbeitenden im Ausland Sozialabgaben erheben und abführen mussten.
Während der Pandemie wurden diese Unterstellungsregeln mittels bilateraler Verständigungsvereinbarungen vorübergehend ausser Kraft gesetzt und flexibel angewendet. Während die flexible Anwendung mit einigen EU-Staaten bis zum 30. Juni 2023 verlängert wurde, endeten die Verständigungsvereinbarungen mit Deutschland bereits Mitte 2022 und mit Italien anfangs 2023. Im Verhältnis zu Deutschland und Italien gilt somit wieder die Situation vor Pandemie mit bis zu 25 % mobiles Arbeiten resp. maximal ein Tag Homeoffice pro Woche im Wohnstaat.
Anhebung der Schwelle auf bis zu 50 % mobiles Arbeiten im Wohnstaat
Angesichts der neuen Realität haben die Schweiz und bestimmte EU- und EFTA-Staaten eine multilaterale Vereinbarung ausgehandelt, die die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung im Falle von hybridem Arbeiten auch nach dem 30. Juni 2023 erleichtern soll.
Die Vereinbarung sieht vor, dass Grenzgänger und internationale Mitarbeitende, die in dem Staat arbeiten, in dem sich auch der Sitz ihres Arbeitgebers befindet, bis maximal 49.9 % der Arbeitszeit in ihrem Wohnstaat leisten dürfen, ohne dass die Zuständigkeit für die Sozialversicherungen in den Wohnstaat des Mitarbeitenden wechselt. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Arbeitnehmenden oder die Arbeitgeber im Voraus einen entsprechenden Antrag in dem Staat stellen, unter dessen Regelungen sie fallen werden.
Diese Ausnahme ist jedoch nur auf Personen anwendbar, für die auch das Freizügigkeitsabkommen mit der EU bzw. das EFTA-Übereinkommen gilt. Ferner ist die Ausnahmeregelung nur auf Situationen anwendbar, die zwei Staaten betreffen, die die Vereinbarung auch unterzeichnet haben.
Aktuell haben folgende Staaten die Vereinbarung unterzeichnet oder die Absicht geäussert, diese zu unterzeichnen: Schweiz, Deutschland, Österreich, Belgien, Estland, Finnland, Ungarn, Irland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, die Slowakei, die Tschechische Republik, sowie Liechtenstein und Norwegen.
Nicht anwendbar sind die neuen Unterstellungsregeln hingegen auf Mitarbeitende, die neben Homeoffice
- noch weitere Tätigkeiten in ihrem Wohnstaat ausüben (bspw. Kundenbesuche, Organfunktionen, selbständige Nebenbeschäftigungen);
- in einem weiteren EU- oder EFTA-Staat eine Tätigkeit ausüben;
- neben der Tätigkeit für ihren Arbeitgeber in der Schweiz noch für einen anderen Arbeitgeber in der EU oder EFTA tätig sind;
- Selbständigerwerbende.
Nicht anwendbar sind die neuen Regeln ferner auf hybrides Arbeiten in Staaten, die die multilaterale Ausnahmevereinbarung nicht unterzeichnet haben (Bsp. Mitarbeitender arbeitet im Homeoffice in Spanien), sowie auf hybrides Arbeiten für einen Arbeitgeber mit Sitz in einem Staat, der diese Vereinbarung nicht mitunterzeichnet hat (Bsp. Mitarbeitender arbeitet im Homeoffice in der Schweiz für einen Arbeitgeber mit Sitz in Spanien). Für diese Fallkonstellationen gelten ab dem 1. Juli 2023 wieder die vor der Pandemie gültigen ordentlichen Regeln mit einer Schwelle von bis zu 25 % der Tätigkeit (resp. maximal 24.9 % der Arbeitszeit) im Wohnstaat. Grenzüberschreitendes hybrides Arbeiten bis zu 25 % ist hingegen weiterhin ohne Auswirkungen auf die Sozialversicherungen möglich.
Entsendung mit 100 % Homeoffice in einem EU- oder einem EFTA-Staat
Eine weitere Erleichterung betrifft die Entsendung von Mitarbeitenden. Eine Entsendung gestützt auf Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 wird neu auch dann möglich sein, wenn vorübergehend 100 % der Arbeitszeit grenzüberschreitend im Homeoffice geleistet wird. Sind die formellen Voraussetzungen für eine Entsendung erfüllt und überschreitet das grenzüberschreitende hybride Arbeiten die Höchstdauer von 24 Monaten nicht, kann beispielsweise ein Arbeitgeber in der Schweiz seine Arbeitnehmenden auch in folgenden Situationen ins Ausland entsenden:
- Betreuung von Angehörigen im Ausland;
- medizinische Gründe;
- Mobiles Arbeiten von einer Feriendestination aus.
Die Mitarbeitenden können in diesen Fällen zu 100 % im Ausland arbeiten und bleiben trotzdem in den schweizerischen Sozialversicherungen versichert.
A1 Bescheinigung via Applicable Legislation Portal Switzerland (ALPS)
Mit Einführung der Erleichterungen für hybrides Arbeiten wird auch die Plattform ALPS der AHV-Ausgleichskassen angepasst und modernisiert. Künftig können die Arbeitgeber die notwendigen A1 Bescheinigungen online und vollständig automatisiert beantragen. Im Falle einer Entsendung ist die A1 Bescheinigung bei der für die Bearbeitung des Entsendegesuchs zuständigen AHV-Ausgleichskasse zu beantragen. Die A1 Bescheinigungen sind weiterhin maximal drei Jahre gültig und verlängerbar.
Zusammenfassung
Mit der neuen Vereinbarung wird es ab dem 1. Juli 2023 vorab im Verhältnis mit Deutschland, Österreich und Liechtenstein deutliche Erleichterungen für Grenzgänger und internationale Mitarbeitende geben. So bleiben Grenzgänger und internationale Mitarbeitende, die bei einem oder mehreren Arbeitgeber in der Schweiz beschäftigt sind, auf Antrag weiterhin in der Schweiz versichert, auch wenn sie bis zu 50 % (resp. maximal 49.9 % ihrer Gesamtarbeitszeit) von ihrem Wohnstaat in Deutschland, Österreich oder Liechtenstein aus leisten.