Steuerveranlagung per A-Post Plus: Ab wann läuft meine Einsprachefrist?

«Gegen die Veranlagungsverfügung können Sie innert 30 Tagen nach deren Eröffnung schriftlich Einsprache erheben.»

Eine solche Rechtsmittelbelehrung ist klar und das korrekte Zählen der 30 Tagen per se keine Hexerei. Dabei bewährt es sich, einen Kalender vor sich zu nehmen und mit dem Finger bis 30 durchzunummerieren.

Die Herausforderung im konkreten Einzelfall ist aber häufig, Tag 1 der Frist zu bestimmen. Logischerweise lässt sich nur so auch der letzte und damit 30. Tag verlässlich definieren. Verkalkulieren wir uns, besteht das Risiko, die fragliche Rechtsmittelfrist zu verpassen. Dies kann unangenehme Folgen haben, da Verfügungen generell und Steuerveranlagungen im Speziellen gesetzliche Fristen auslösen. Diese sind nicht erstreckbar. Im Gegensatz zu behördlichen Fristen, die auf Antrag und nach Ermessen der Steuerverwaltung verlängerbar sind, führt das Verpassen einer gesetzlichen Frist in der Regel dazu, dass auf eine Eingabe grundsätzlich nicht eingetreten wird. Eine Ausnahme gilt, wenn ein Fristwiederherstellungsgrund vorliegt. Verspätet vorgebrachte Argumente werden daher im Regelfall inhaltlich gar nicht geprüft, so stichhaltig sie auch sein mögen.

Es ist darum im Wesentlichen abzuklären, an welchem Tag genau eine Verfügung als ordnungsgemäss zugestellt und damit als eröffnet gilt. Erst mit der tatsächlichen Eröffnung wird die Frist ausgelöst. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Empfängerin oder der Empfänger tatsächlich Kenntnis von der Mitteilung genommen hat. Der Tag der Zustellung gehört mit Blick auf die Zählübung nicht zu den 30 Tagen. Tag 1 ist der darauf folgende Tag. Beim Bestimmen des Beginns spielt zudem der konkrete Wochentag keine Rolle. Tag 1 kann somit auch ein Samstag, Sonntag oder allgemeiner Feiertag sein, zumindest nach aktueller Rechtslage (s. Hinweis zu einer geplanten Gesetzesänderung ganz am Schluss). Wochenend- und Feiertage haben nur, aber immerhin, Einfluss auf das Ende der Frist. Fällt der letzte Tag auf einen Samstag, Sonntag oder anerkannten Feiertag, so endet die Frist erst am nächsten Werktag.

Da verpasste (Einsprache-)Fristen gravierende Konsequenzen nach sich ziehen können, erstaunt es nicht, dass speziell die Frage der ordnungsgemässen Zustellung mit einer gewissen Regelmässigkeit von den Gerichten zu beurteilen ist. Im Vordergrund stehen dabei Sendungen, die mit A-Post Plus verschickt werden. Dem Bundesgericht bot sich jüngst wieder Gelegenheit, sich zur Eröffnung einer «A-Post Plus-Steuerveranlagung» zu äussern. Im Urteil vom 1. November 2023 (9C_627/2022) bestritt der Steuerpflichtige, eine von der Steuerverwaltung per A-Post Plus zugestellte Veranlagung erhalten zu haben. Konkret wurde die Veranlagung gemäss «Track & Trace»-Eintrag der Post an einem bestimmten Tag ins Postfach der Vertreterin des Steuerpflichtigen gelegt. Demgegenüber hatte nach Auffassung des Steuerpflichtigen erst eine spätere Übermittlung der fraglichen Verfügung per E-Mail als Zustellungszeitpunkt zu gelten.

Im betreffenden Fall wurde die Beschwerde gutgeheissen, der Entscheid des kantonalen Verwaltungsgerichts (Schwyz) aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung im Sinne der bundegerichtlichen Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. Das Bundesgericht führte aus, dass A-Post Plus-Sendungen nicht gleich wie Einschreiben zu behandeln sind. Zwar kann mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Empfang einer derartigen Sendung geschlossen werden (Vermutung der Zustellung). Dem Empfänger steht jedoch der Gegenbeweis offen. Im konkreten Fall konnte er ausreichende Umstände nachweisen, die eine mangelhafte Zustellung als plausibel erscheinen lassen (in der Vergangenheit verschiedene Fehlzustellungen bei der Vertreterin des Steuerpflichtigen).

Dieses Urteil anerbietet sich, gewisse Grundsätze im Zusammenhang mit der postalischen Zustellung von (Veranlagungs-)Verfügungen in Erinnerung zu rufen:

  • Die Steuerbehörde trägt die Beweislast für die Zustellung.
  • Briefumschläge sollten aufbewahrt werden, wodurch sich in aller Regel die Art der Zustellung klären lässt.
  • Das Eingangsdatum der Sendung ist zu vermerken.
  • Allein aus dem Datum der (Veranlagungs-)Verfügung lässt sich nichts Endgültiges zu deren Eröffnung ableiten. Gewisse Steuerbehörden datieren Verfügungen vor. Durch das aufgedruckte Datum wird der Eindruck erweckt, es könne ab diesem Datum innert Frist Einsprache erhoben werden. Massgebend für die Berechnung der Frist ist aber die effektive Zustellung und nicht das Verfügungsdatum.
  • Versand per A- oder B-Post: Eine Sendungsverfolgung ist nicht möglich. Eine Zugangsvermutung gibt es nicht. Die Behörde verfügt über keine Informationen betreffend den effektiven Zustelltag und kann den Empfang nicht nachweisen.
  • Einschreiben mit unmittelbarer Entgegennahme: Derartige Sendungen gelten an diesem Tag als zugestellt und eröffnet.
  • Einschreiben ohne unmittelbare Entgegennahme (Abholungseinladung im Briefkasten): Diese Sendungen gelten am Tag der Abholung bei der Poststelle als zugestellt und eröffnet. Wird die Sendung innert 7 Tagen nicht bei der Poststelle abgeholt, gilt die Sendung am letzten Tag dieser 7-tägigen Frist als zugestellt und eröffnet (Zustellfiktion).

Die Beweislage bei «Eingeschriebenen» ist somit klar. Praktische Schwierigkeiten ergeben sich am ehesten im Zusammenhang mit der A-Post Plus-Versandmethode. Diese Sendungen werden elektronisch verfolgt und ohne Empfangsunterschrift in den Briefkasten oder das Postfach gelegt. Sie begründen die natürliche Vermutung der ordnungsgemässen Zustellung. Zwar steht den Steuerpflichtigen der Gegenbeweis offen (s. oben erwähntes Urteil des Bundesgerichts). Die Crux dieser Zustellart liegt indes darin, dass es sich nicht feststellen lässt, wann die Sendung wirklich zugestellt wurde und ob die Post das richtige Datum elektronisch erfasst hat, es sei denn, der Briefkasten oder das Postfach werden täglich geleert. Nur so lässt sich der Tag der Zustellung in Erfahrung bringen. Beim Erhalt behördlicher A-Post Plus-Sendungen ist deshalb besondere Aufmerksamkeit angezeigt.

Die praktischen Schwierigkeiten, die sich aus der Versandmethode A-Post Plus häufig ergeben, sollen im Übrigen mit einer Anpassung des Bundesrechts teilweise entschärft werden. Am 14. Februar 2024 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung für eine neue Regelung betreffend die Zustellung von A-Post-Plus-Sendungen an Wochenenden. Das bei dieser Gelegenheit u.a. zu revidierende Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer soll unter dem Titel «Zustellung» neu wie folgt formuliert sein: «Eine Mitteilung, die an einem Samstag, Sonntag oder einem staatlich anerkannten Feiertag nicht gegen Unterschrift überbracht wird, gilt am nächstfolgenden Werktag als zugestellt. Massgebend für die Bestimmung der Feiertage ist das Recht des Veranlagungskantons…». Die Vernehmlassungsfrist zu dieser Anpassung dauert bis am 24. Mai 2024.

Haben Sie Fragen allgemeiner Art oder speziell bezogen auf Fristen, zögern Sie bitte nicht, sich mit unseren Steuerspezialisten in Verbindung zu setzen.

Autor

Mathias Josi
dipl. Steuerexperte

Lesezeit: 10 Min 15. April 2024