Praxisänderung in der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Liegen-schaftsunterhaltskosten bei Renovations- und Umbauarbeiten

Sie planen einen Umbau oder eine umfassende Renovation Ihrer Liegenschaft und überlegen sich, welche Kosten steuerlich in Abzug gebracht werden können und welche nicht? Diese Frage führte zwischen Hauseigentümern und Steuerbehörden in den vergangenen Jahren immer wieder zu Diskussionen. Nun sorgt ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichts in Bezug auf die steuerliche Behandlung von Liegenschaftsunterhaltskosten für mehr Klarheit und für höhere Steuerabzüge.

Nachfolgend wird ein Blick auf das Leiturteil des Bundesgerichts (9C_677/2021 vom 23.02.2023) geworfen und erklärt, welche steuerlichen Auswirkungen die Praxisänderung für Hauseigentümer mit sich bringt.

Grundsatz: Unterscheidung zwischen werterhaltenden und wertvermehrenden Kosten

Wie allseits bekannt können Liegenschaftsunterhaltskosten von den steuerbaren Einkünften in Abzug gebracht werden. Liegenschaftskosten sind grundsätzlich in werterhaltende und wertvermehrende Aufwendungen zu unterteilen. Kosten, die den objektiven Nutzungswert einer Liegenschaft erhalten bzw. den früheren Zustand einer Liegenschaft wiederherstellen, sind vom steuerbaren Einkommen abziehbar (werterhaltende Unterhaltskosten). Hingegen können Kosten, die den Wert einer Liegenschaft nachhaltig verbessern und somit zu einem bleibenden Mehrwert der Liegenschaft führen, steuerlich nicht in Abzug gebracht werden (wertvermehrende Anlagekosten). Die Anlagekosten können jedoch später beim Verkauf der Liegenschaft im Rahmen der Grundstückgewinnsteuer geltend gemacht werden.

Das Ende des Begriffs des «wirtschaftlichen Neubaus»

Grundsätzlich erfolgt für jede vorgenommene Arbeit an einer Liegenschaft eine separate Betrachtung und Bewertung, um festzustellen, ob es sich um Unterhalts- oder Anlagekosten handelt. In der Vergangenheit wurde diese Abgrenzung bei umfassenden Umbau- und Sanierungsprojekten von gewissen kantonalen Steuerverwaltungen jedoch nicht immer vorgenommen. Bei einem Umbau oder einer Totalrenovation einer Liegenschaft bestand für Hauseigentümer oft das Risiko, dass Steuerbehörden aufgrund der sog. Praxis zum «wirtschaftlichen Neubau» eine Gesamtbetrachtung vornahmen und sämtliche Kosten vollumfänglich als wertvermehrende Anlagekosten qualifizierten (Alles oder nichts-Regel). Dies hatte zur Folge, dass sämtliche Renovationskosten nicht vom steuerbaren Einkommen in Abzug gebracht werden konnten, auch wenn sie zweifellos Unterhaltskosten darstellten. Erfreulicherweise hat das Bundesgericht die langjährige Praxis zum «wirtschaftlichen Neubau» in seinem Leiturteil nun aufgehoben und in zwei weiteren Urteilen (9C_724/2022 vom 29.03.2023 resp. 9C_161/2023 vom 06.06.2023) bestätigt. Dank dieser jüngsten Rechtsprechung auf höchstrichterlicher Ebene ist eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung des Sanierungsprojekts nicht mehr zulässig. Fortan sind die Kostenbestandteile individuell nach ihrer objektiv-technischen Natur zu beurteilen und unter Mitwirkung der steuerpflichtigen Person in werterhaltende und wertvermehrende Kosten aufzuteilen.

Um die steuerlichen Auswirkungen der Praxisänderung zu verdeutlichen, wird die neue Rechtsprechung kurz anhand eines praktischen Beispiels erläutert:
Angenommen, Sie sind Eigentümer/in einer Liegenschaft, deren Fassade und das Dachgeschoss in die Jahre gekommen sind und saniert werden müssen. Aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des wirtschaftlichen Neubaus bestand die Gefahr, dass die Steuerbehörden die gesamten Kosten als wirtschaftlicher Neubau bzw. als wertvermehrende Anlagekosten und damit als einkommenssteuerlich nicht abzugsfähig beurteilten. Dank der Praxisänderung sind die einzelnen Kostenbestandteile neu individuell aufgrund ihres objektiv-technischen Charakters steuerlich zu beurteilen, eine Gesamtbetrachtung ist nicht mehr zulässig. Dies führt i.d.R. dazu, dass die einzelnen Sanierungskosten – soweit es sich nicht um wertvermehrende Aufwendungen handelt – als Unterhaltskosten vom steuerbaren Einkommen in Abzug gebracht werden können.

Die erfreuliche Praxisänderung kann in Kantonen, in denen bisher die Praxis zum wirtschaftlichen Neubau verfolgt wurde, zu erheblichen Steuereinsparungen führen. Entsprechend muss diese für die steuerliche Geltendmachung von Liegenschaftskosten bei Totalsanierungs-, Renovierungs- oder Umbauprojekten inskünftig unbedingt beachtet werden. Da die neue Praxis grundsätzlich sofort und in allen hängigen Verfahren anzuwenden ist, empfiehlt es sich zudem, beim zukünftigen Erhalt von Veranlagungsverfügungen, Einsprachen usw. kritisch zu prüfen, ob die steuerliche Beurteilung solcher Liegenschaftskosten durch die Steuerbehörden korrekt anhand der neuen Rechtsprechung erfolgt ist.

Für die Beantwortung von Fragen und die Erteilung von weiteren Auskünften wenden Sie sich bitte an unsere Steuerspezialisten. Gerne unterstützen wir Sie dabei, Ihre Immobilienprojekte steuerlich optimal zu planen.

Autorin

Aline Pfammatter
Bachelor of Science ZHAW in Wirtschaftsrecht

Lesezeit: 5 Min 22. August 2023