Der Austritt des Vereinigen Königreichs (UK) aus der EU wird, unabhängig vom Verlauf der weiteren Verhandlungen zwischen der EU und UK, zu neuen Hemmnissen des wirtschaftlichen Austauschs von Waren und Dienstleistungen sowie der grenzüberschreitenden Mobilität i.S.d. Personen- und Kapitalverkehrsfreiheit führen. Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und UK zur Frage, ob und unter welchen Bedingungen Zölle erhoben werden, laufen zwar aktuell, ein zeitnahes Ergebnis scheint jedoch unwahrscheinlich.
Eines ist jedoch sicher: UK wird von allen bisherigen Übereinkünften mit der EU ausgeschlossen. Damit wird aller Voraussicht nach bei Ablauf der Übergangsfrist zum 1. Januar 2021 die Zollabfertigung generell verpflichtend, was mit einem deutlichen administrativen Mehraufwand einhergeht. UK allein erwartet bis zu 200 Mio. zusätzliche Zollanmeldungen.
Was ändert sich voraussichtlich ab dem 1. Januar 2021?
Für die Handelsbeziehungen zwischen Unternehmen der EU und UK sind generell folgende Änderungen zu beachten:
- Für Unternehmen, die bisher ausschliesslich innerhalb der EU agiert haben, wird für die Ausfuhr als auch die Einfuhr von und in UK eine Registrierung bei den Zollbehörden erforderlich. Eine EORI-Nr. (Economic Operator Registration and Identification Number) ist zu beantragen.
- Durch den EU-Austritt erlöschen alle Abmachungen mit der EU betreffend Steuern und Zulassungen/Bewilligungen. Darüber hinaus sind ab dem Austritt alle UK-Wirtschaftsbeteiligten nicht mehr für die Teilnahme am IT-Verfahren EMCS (Excise Movement and Control System) qualifiziert.
- UK-Vormaterialien werden künftig zu Vormaterialen ohne Ursprung (VoU). Dies kann bei in der EU her-gestellten Waren zu einem Verlust des Präferenzursprungs «EU» führen, wenn britisches Vormaterial zu deren Herstellung verwendet wird. Im Zuge dessen können auch damit einhergehende Zollvergünstigungen nicht mehr beansprucht werden.
Gemäss dem «Protokoll zu Irland und Nordirland» wer-den im Gegensatz zum Rest von UK für Nordirland für einen befristeten Zeitrahmen von vorerst vier Jahren nach wie vor der Zollkodex der Union und weitere Unionsvorschriften, die Waren betreffen, gelten.
Bei der Ausfuhr von Waren aus der EU nach UK gilt Folgendes:
Der Kosten- und Zeitaufwand wird – bedingt durch die nun vorzunehmende Ausfuhrabfertigung – wesentlich höher werden. In Bezug auf spezielle Vorschriften (z.B. Exportkontrolle und Embargorecht) wird UK neu behandelt wie jeder andere Drittstaat, was zur Folge haben kann, dass neu entsprechende Bewilligungen eingeholt werden müssen.
Auf Seiten UK wird demgegenüber eine Einfuhrabfertigung stattfinden, wodurch grundsätzlich Einfuhrabgaben ausgelöst werden.
Bei der Einfuhr von UK-Waren in die EU ist Folgendes zu beachten:
- Es entsteht ein zeitlicher Mehraufwand durch die Zollabfertigung.
- Waren, die aus UK bezogen werden, verteuern sich unter Umständen je nach vereinbarter Lieferkondition, da künftig Zölle zu erheben sind.
- Je nach Warenart können bei der Einfuhr von Waren zusätzliche Lizenzen, Nachweise oder Zertifikate notwendig werden.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich alle betroffenen Unternehmen auf Zölle, Verzögerungen in den Lieferketten, damit verbundenen bürokratischen Mehraufwand und somit auf umfassende Änderungen der Prozesse einstellen müssen.
Es gilt, sich daher spätestens jetzt vorzubereiten und aktiv zu werden:
- Unternehmen sollten überprüfen, ob sie aus zollrechtlicher Sicht – formal, personell und ggf. technisch – für den Brexit gerüstet sind.
- Um einer Einbusse von Zollvergünstigungen durch den Verlust der EU-Präferenzursprungseigenschaft entgegen zu wirken, sind die Lieferketten neu zu bewerten, sowie alle Abläufe in Zusammenhang mit dem Präferenzursprung zu prüfen. Dazu zählt auch die Frage, ob ggf. Anpassungen von bereits bestehenden Verträgen, in denen ein bestimmter Präferenzursprung garantiert wurde, erforderlich sind.
- Die neuen Rahmenbedingungen werden voraus-sichtlich Mehrkosten verursachen, die im Rahmen der Kostenkalkulation berücksichtigt werden sollten. Wo nötig sind Verträge anzupassen.
- Die Aktualisierung oder Beantragung von zollrechtlichen Bewilligungen sollte vorgenommen werden. Mit dem Status eines Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten – Authorised Economic Operator (AEO) – können bspw. die Abläufe bei der Ein- als auch Ausfuhr von Drittlandswaren erheblich vereinfacht werden.
Hinweis BREXIT aus CH-Sicht
Als Nicht-EU-Mitglied hat die Schweiz nie von den Vor-teilen des EU-Binnenmarktes profitiert. Das Verhältnis zu UK wurde in der Vergangenheit und wird noch bis Ende Jahr von den Freihandels-Abkommen der Schweiz mit der EU geregelt. Mit Blick auf BREXIT haben die Regierungen der Schweiz und UK bereits vor Monaten Ab-kommen für die Zeit nach BREXIT geschlossen. Grundsätzlich wird sich im Verhältnis der Schweiz zu UK in Bezug auf Grenzabfertigungen wenig ändern. D.h., dass die vorgängigen Ausführungen für CH-Unternehmen ins-besondere dann zu beachten sind, wenn sie Lieferungen ab einem Standort innerhalb der EU nach UK ausführen (z.B. ab einem Auslieferungslager oder einer Produktionsstätte).