Zur relativen Verjährungsfrist

Das Recht, die Steuerforderung festzusetzen, verjährt fünf Jahre nach Ablauf der Steuerperiode und somit nach Ende des Kalenderjahres, in der die Steuerforderung entstanden ist. Diese relative Verjährungsfrist der Festsetzungsverjährung kann bis zum Eintritt der absoluten Verjährungsfrist (zehn Jahre) ein- oder mehrmals unterbrochen werden. Voraussetzung ist, dass die Steuerforderung nicht aus einem anderen Grund bereits rechtskräftig geworden ist.

Die Unterbrechung bewirkt, dass die relative Verjährungsfrist neu zu laufen beginnt. Wird die Verjährung durch die steuerpflichtige Person unterbrochen, beträgt die neu beginnende Frist wiederum fünf Jahre. Wird die Verjährung hingegen durch die Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) oder eine Rechtsmittelinstanz unterbrochen, beträgt die neue Frist lediglich zwei Jahre.
Als verjährungsunterbrechend gilt jede auf die Festsetzung oder Korrektur der Steuerforderung gerichtete empfangsbedürftige schriftliche Erklärung.
Im Zusammenhang mit MWST-Kontrollen beginnt ins-besondere in folgenden Fällen eine Verjährungsfrist von zwei Jahren ab Unterbrechung durch die ESTV zu laufen:

  • Schriftliche Einforderung umfassender Unterlagen einer Steuerperiode (Geschäftsbücher);
  • Zugang der formell korrekten Ankündigung einer MWST-Kontrolle (schriftlich);
  • Zugang der (schriftlichen) Einschätzungsmitteilung als Abschluss der MWST-Kontrolle.

Beispiel

Das steuerpflichtige Unternehmen X-AG erhält am 24. November 2017 ein Schreiben der ESTV mit der Ankündigung einer MWST-Kontrolle vom 22. – 24. Januar 2018 u.a. betreffend die Steuerperiode 2016. Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen zur Qualifikation einzelner Leistungen und deshalb notwendiger Abklärungen wird die Einschätzungsmitteilung der X-AG erst per 15. November 2019 zugestellt.

  • Die fünfjährige Verjährungsfrist für die Steuerperiode 2016 hat per 1. Januar 2017 begonnen und würde ohne Unterbrechung am 31. Dezember 2021 enden.
  • Die laufende Verjährungsfrist wird seitens ESTV am 24. November 2017 unterbrochen, es beginnt eine neue Zweijahresfrist. Diese wird durch die ESTV am 15. November 2019 recht-zeitig erneut unterbrochen, womit wiederum eine Zweijahresfrist neu zu laufen beginnt.
  • Wäre die Einschätzungsmitteilung der X-AG nicht rechtzeitig vor Ablauf der Zweijahresfrist zugestellt worden, so wäre die Festsetzungsverjährung eingetreten.

Nicht verjährungsunterbrechend ist die Revision einer MWST-Abrechnung, da diese bloss eine Abrechnungsperiode und nicht die gesamte Steuerperiode betrifft.
Die Verjährungsfrist von zwei Jahren ersetzt in den vor-genannten Fällen vorzeitig die ursprüngliche Verjährungsfrist von fünf Jahren. Zu beachten ist im Übrigen, dass die schriftliche Anerkennung oder die vorbehaltlose Bezahlung der Einschätzungsmitteilung zur sofortigen Rechtskraft der Steuerforderung führt.
Zu aktuellen Praxispublikationen
Seit dem 1. Juli 2020 hat die ESTV diverse Publikationen angepasst. Folgendes dazu im Sinne einer Auswahl:

  • MWST-Branchen-Info 22, Hilfsorganisationen: Neu wird der Ort der Dienstleistung im Falle von internationalen Entwicklungsprojekten mit einer gemeinnützigen Organisation als Auftraggeberin separat geregelt (gültig ab 1. Januar 2021).
  • MWST-Branchen-Info 07, Elektrizität und Erdgas in Leitungen: Der von der Energielieferung losgelöste Verkauf von Herkunftsnachweisen für Elektrizität und ähnlichen Bescheinigungen für die Herkunft der Energie ist eine zum Normalsatz steuerbare Dienstleistung (Ort der Leistung nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG; gültig ab 20. Oktober 2020). Bisher qualifizierte der losgelöste Verkauf der Herkunftsnachweise als von der Steuer ausgenommenes Wertrecht.
  • MWST-Info 07, Steuerbemessung: Leistungen an Zahlungsstatt (Eintauschgeschäfte) werden detaillierter umschrieben, so gilt z.B. ein zur Entsorgung übergebener Gegenstand (ohne Wertanrechnung) nicht als Eintausch (gültig ab 20. Oktober 2020).

Daniel Leuenberger
dipl. Wirtschaftsprüfer