Sowohl das schweizerische Aktienrecht wie auch die Schweizer Standards zur Abschlussprüfung (SA-CH) für ordentliche Revisionen wurden überarbeitet. Zunächst war unklar, wie die Praxis die neuen Anforderungen umsetzen wird. Mittlerweile sind die Bestimmungen seit knapp zwei Jahren in Kraft und es ist Zeit, über die meistdiskutierten Neuerungen zu informieren.
Dividenden – Stellung der Revisionsstelle und Nichtigkeit
Mit der Überarbeitung des Aktienrechts wurde die Gesetzgebung zu den Reservezuweisungen und Dividendenausschüttungen präzisiert. Die diesbezüglichen Neuerungen wurden in der T+R Info vom Dezember 2023 übersichtlich erläutert. An dieser Stelle wird ergänzend dazu die gesetzlich festgehaltene Wichtigkeit der Revisionsstelle bei beabsichtigten Dividendenausschüttungen hervorgehoben. Die Generalversammlung benötigt grundsätzlich für sämtliche Arten von Dividendenausschüttungen einen geprüften Abschluss, damit sie rechtsgültige Ausschüttungsbeschlüsse fällen kann. Liegt der erforderliche Revisionsbericht nicht vor, so sind nach Art. 731 Abs. 3 OR die Beschlüsse über die Verwendung des Bilanzgewinnes nichtig. Nichtige Beschlüsse entfalten dabei keinerlei Rechtswirkung und die allenfalls bereits vollzogenen Dividendenausschüttungen sind grundsätzlich rückgängig zu machen. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung kein ausschüttbares Eigenkapital vorliegt. Meist bringen nichtige Dividendenausschüttungen in der Folge beträchtlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand mit sich.
Trotz dieser scharfen Bestimmungen wird gemäss dem Branchenverband EXPERTsuisse von einem Teil der Lehre und der Praxis eine derart gravierende Rechtsfolge wie die Nichtigkeit bei Dividendenausschüttungen ohne Revisionsbericht in bestimmten Situationen in Frage gestellt. Dies trifft vor allem bei ausserordentlichen Dividenden und unterjährigen Substanzdividenden zu. Wurde die letzte Jahresrechnung geprüft, liegt der entsprechende Revisionsbericht vor und waren die anderen Voraussetzungen für einen gültigen Beschluss durch die Generalversammlung erfüllt, darf das Vorliegen der Nichtigkeit bei einer aussordentlichen Dividendenausschüttung ohne den Bericht der Revisionsstelle durchaus mit Zurückhaltung angenommen werden, da dadurch keine Gläubigerforderungen geschädigt werden. Dennoch ist empfehlenswert, die gesetzlichen Bestimmungen stets einzuhalten und bei Unklarheiten die Revisionsstelle zu kontaktieren oder rechtlichen Rat einzuholen.
Aufhebung und Reduktion von Rangrücktrittsvereinbarungen
Bei Vorliegen einer buchhalterischen Überschuldung ist eine Rangrücktrittsvereinbarung ein beliebtes Instrument, um die Forderungen von Gläubigern zu schützen und im Fall von negativen Nettoaktiven die Benachrichtigung des Gerichts vermeiden zu können. Durch die schriftliche Vereinbarung treten die entsprechenden Gesellschaftsgläubiger im Ausmass der Unterdeckung im Rang hinter alle anderen Gesellschaftsgläubiger zurück. Mit dem überarbeiteten Aktienrecht umfasst der Rangrücktritt nach Art. 725b OR nebst der festgehaltenen Darlehenssumme neu auch die auf der Forderung aufgelaufenen und künftig auflaufenden Zinsen.
Um die Rangrücktrittsvereinbarung später wieder aufheben zu können, bestehen die folgenden drei Möglichkeiten.
- Verzicht auf die Forderung
- Umwandlung der Forderung in Aktienkapital oder Verrechnung mit vom Gläubiger gewährtem Zuschuss in die Reserven
- Aufhebung mittels Prüfungsbestätigung
Besonders bei der dritten Variante sind die einzuhaltenden Bedingungen gemäss geltender Praxis gründlich zu konsultieren. Bei einer ordentlichen zu revidierenden Gesellschaft genügt es in der Regel, wenn der zusammenfassende Bericht der Revisionsstelle ohne Erwähnung der gesetzlichen Überschuldung vorliegt. Die Rangrücktrittsvereinbarung kann so anschliessend rechtsgültig aufgehoben werden. Soll die Rangrücktrittsvereinbarung unterjährig aufgehoben werden, benötigt die Gesellschaft eine geprüfte Zwischenbilanz. Dabei beurteilt die Revisionsstelle mittels eines separaten Prüfungsberichts, ob sämtliche Verbindlichkeiten durch Aktiven gedeckt sind.
Bei eingeschränkt zu revidierenden Gesellschaften sind die Bedingungen zur Aufhebung der Rangrücktrittsvereinbarung komplexer. Bei diesen Gesellschaften wird im Gegensatz zu den ordentlich zu revidierenden Gesellschaften auch zum Jahresabschluss eine separate Prüfungsbestätigung durch die Revisionsstelle – zusätzlich zur eingeschränkten Revision – benötigt. Die Rangrücktrittsvereinbarung kann also nicht lediglich durch die Nichterwähnung der gesetzlichen Überschuldung im Revisionsbericht zur eingeschränkten Revision aufgehoben werden. Die Prüfungsbestätigung verlangt dabei eine positive Zusicherung und die Prüfungshandlungen gehen weiter als jene bei einer eingeschränkten Revision. Dadurch soll der Gläubigerschutz zusätzlich gestärkt werden.
Soll eine bestehende Rangrücktrittsvereinbarung bei Gesellschaften im Opting-out aufgehoben werden, ist ein separater Prüfungsbericht mit positiver Zusicherung erforderlich.
Für alle drei Revisionsarten bedingt eine beabsichtigte betragliche Reduktion des Rangrücktritts eine Prüfung mit positiver Zusicherung nach den Schweizer Standards zur Abschlussprüfung (SA-CH) durch die Revisionsstelle respektive durch den zugelassenen Revisionsexperten im Falle eines Opting-out.
Bestimmungen zur Verrechnung von bestehenden Verlusten
Mit dem per 1. Januar 2023 revidierten Aktienrecht wurden die Bestimmungen zur Verrechnung von bestehenden Bilanzverlusten eingeführt. Art. 674 OR gibt seither die Reihenfolge der Verlustverrechnung mit den einzelnen Positionen im Eigenkapital vor. Sofern die entsprechende Konstellation zutrifft, besteht ein Wahlrecht, auf welches in der Folge eingegangen wird.
Bleiben also auch nach der Verrechnung mit sämtlichen freiwilligen Reserven noch Verluste übrig, hat die Generalversammlung ein Wahlrecht, ob diese verbleibenden Verluste auf die neue Rechnung vorgetragen oder mit den gesetzlichen Reserven verrechnet werden sollen. In beiden Fällen muss der Antrag des Verwaltungsrats durch die Generalversammlung genehmigt werden. Zudem nimmt die Revisionsstelle in ihrem Revisionsbericht darauf Bezug.
Bei Fragen und Unklarheiten zur gesetzeskonformen Umsetzung Ihres Praxisfalls stehen unsere Spezialist:innen des Geschäftsbereichs Wirtschaftsprüfung gerne zur Verfügung.