Nachfolgeplanung im KMU-Umfeld

In der Praxis stellen wir immer wieder fest, dass sich Unternehmenseigentümer kein klares Bild über die Möglichkeiten der Regelung einer Nachfolge machen können. Lücken bestehen insbesondere in der Konzeption und bei der Methodik einer Nachfolge. Weiter werden oft der Aufwand und die Dauer für eine umsichtige Nachfolge signifikant unterschätzt. Dies führt dazu, dass Nachfolgeplanungen in vielen Fällen lange hinausgeschoben werden. Dadurch werden mögliche Handlungsoptionen eingeschränkt oder gar verunmöglicht.

Eine umsichtige Unternehmensnachfolge sollte idealerweise fünf Jahre vor der Übergabe geplant werden. Je nach Übergabemöglichkeiten muss der ausscheidende Unternehmer nach der Übertragung von Führung und Eigentum bereit sein, der Unternehmung während ein bis drei Jahren ganz, reduziert oder wenigstens punktuell zur Verfügung zu stehen. Warum ist dieser lange Planungshorizont notwendig? Der Grund dafür liegt darin, weil viele wichtige private und unternehmerische Aspekte in der Vorbereitung zu beachten sind.

Die nachfolgenden Ausführungen beleuchten hauptsächlich die Situationsanalyse (Phase 0). In der Situationsanalyse gilt es, den Fokus auf zwei essentielle Fragen zu legen:

  • Ist die Unternehmung für eine Nachfolge geeignet?
  • Wie sehen die finanziellen Möglichkeiten nach der Übertragung der Unternehmung aus?

Nach der Beantwortung dieser Fragen kann ein Grundsatzentscheid gefällt werden, ob und wie die Aufgleisung eines Nachfolgeprozesses angegangen werden kann. Im zweiten Teil wird schematisch dargestellt, wie der eigentliche Prozess der Unternehmensnachfolge konzeptionell gegliedert werden sollte und welcher Hauptfehler sehr oft zu Vertrauensbrüchen und Verhandlungsabbrüchen führt.

Prüfung der Nachfolgefähigkeit der Unternehmung

Ganz am Anfang des Prozesses (Phase 0) einer Unternehmensnachfolge sollte geklärt werden, ob die Unternehmung aufgrund des Geschäftsmodells, der Leistungsfähigkeit und der möglichen zukünftigen Marktentwicklung in der Lage sein wird, einem Nachfolger einen nachhaltigen Nutzen zu bieten. Ein nachhaltiger Nutzen liegt dann vor, wenn der Nachfolger für die Übernahme der Funktion des Verkäufers einen marktgerechten Lohn beziehen und die Unternehmung zukünftig, nach Abzug dieser Kosten, einen nachhaltigen Gewinn erzielen kann.

Zur Prüfung der Nachfolgefähigkeit müssen vorausschauend mögliche Gestaltungsdimensionen beleuchtet werden, die in folgende Varianten unterteilt werden können:

Die Einschätzung der möglichen Gestaltungsdimensionen kann bereits gewisse Einschränkungen zur Nachfolgefähigkeit der Unternehmung mit sich ziehen.

Finanzplanung des Unternehmers

In der Phase 0 eines Nachfolgeprozess sollte unbedingt auch die private Seite des Unternehmers analysiert werden. Es ist wichtig, die persönliche und familiäre Situation eines Unternehmers im Detail zu beleuchten. Schliesslich wird sich mit dem Wegfall des Erwerbseinkommens die Einkommenssituation erheblich verändern. Dies kann in einer privaten Finanzplanung dargestellt werden. Der Planungshorizont umfasst idealerweise 20 bis 30 Jahre. Wenn die Nachfolgefähigkeit der Unternehmung unsicher ist oder grosse Unsicherheiten bestehen, sollte in der Finanzplanung der mögliche Erlös aus der Nachfolge sehr vorsichtig eingesetzt oder auf den möglichen Liquidationswert reduziert werden. Die Finanzplanung enthält idealerweise folgende Bestandteile:

Bei der Erstellung des persönlichen Finanzplans spielen die persönlichen Ziele eine zentrale Rolle. Der Finanzplan zeigt in übersichtlicher Weise den finanziellen Spielraum und die Entwicklung des Nettovermögens im dritten Lebensabschnitt auf.

Prozess Unternehmensverkauf

Nach Abschluss der Phase 0 kann anschliessend der eigentliche Prozess der Unternehmensnachfolge angestossen werden. In diesem Prozess ist ein strukturiertes Vorgehen unumgänglich. Je nach Unternehmenssituation (schwierige Ertrags- oder Vermögenslage, schwieriges Marktumfeld, Attraktivität der Branche, verspätete Nachfolge usw.) kann dieser Prozess auch beschleunigt werden, wobei sich dies in der Regel erheblich auf den Nachfolgeerfolg auswirken kann. Die Phasen des Nachfolgeprozesses setzen sich folgendermassen zusammen:

Verhinderung von unrealistischen Kaufpreisvorstellungen

In der Praxis treffen wir es regelmässig und in hoher Anzahl der Fälle an, dass der Berater des Verkäufers fehlerhafte, unfundierte und unrealistische Unternehmenswerte berechnet. Im Umfeld der KMU stellt ein MBO (Verkauf an bestehendes Führungspersonal) vielfach die einzige Nachfolgeoption dar. Der Unternehmer läuft damit Gefahr, mit überhöhten oder unrealistischen Kaufpreisvorstellungen die wenigen potenziellen Nachfolger zu zermürben.

Fazit

Im KMU-Umfeld sollte deshalb einer umsichtigen Vorbereitung der Unternehmensnachfolge grosse Beachtung geschenkt werden. Der vorgelagerte Prozess in der Beurteilung der Nachfolgefähigkeit und die persönliche Finanzplanung (Phase 0) geben Aufschluss darüber, ob und wann der eigentliche Prozess des Unternehmensverkaufs angestossen und wie dieser taktisch angegangen werden kann. Weiter sollte bei einem MBO (Verkauf an bestehendes Führungspersonal) darauf geachtet werden, dass der Verkaufsprozess (Phase 1 bis 4) in enger und partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit potenziellen Nachfolgern erfolgt. Umsichtige Nachfolgeprozesse und realistische Kaufpreisforderungen erhöhen den Erfolg einer Unternehmensnachfolge erheblich.

Autoren

Beat Kiener
dipl. Wirtschaftsprüfer Partner, Mitglied der Geschäftsleitung Geschäftsbereich Wirtschaftsberatung

Lesezeit: 10 Min
2. August 2021