MWST ZOOM – Holdinggesellschaften – Vorsteuerabzug gefährdet?

Einleitung

Bis zur Abschaffung des Holdingsprivilegs für direktsteuerliche Zwecke per 31. Dezember 2019 war die Qualifikation als Holding durch die kantonalen Steuerbehörden (auch) für die Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung MWST (ESTV), verbindlich. Wurden neben Beteiligungserträgen auch Finanzerträge (z.B. Erträge aus einem Wertschriftenportfolio) erzielt, beschränkte sich die Vorsteuerkorrektur – vorbehältlich der Direktzuordnung von Aufwendungen zu den ausgenommenen Umsätzen – auf die Pauschale von 0.02 % auf den von der Steuer ausgenommenen Finanzerträgen.

Seit dem Wegfall des „Holding-Status“ beurteilt die ESTV entsprechende Konstellationen differenzierter, was dazu führen kann, dass sich die eine oder andere „Holdinggesellschaft“ in Bezug auf das Vorsteuerabzugsrecht in falscher Sicherheit wiegt. Im nachfolgenden Beitrag werden einzelne Aspekte unter Berücksichtigung der aktuell im Entwurf vorliegenden Praxisanpassung der MWST-Info 09, Vorsteuerabzug (Entwurf MI 09), beleuchtet.

Grundsatz

Das Erwerben, Halten und Veräussern von Beteiligungen (mind. 10 % am Kapital einer Gesellschaft) stellt eine unternehmerische zum Vorsteuerabzug berechtigende Tätigkeit dar. Dementsprechend ist eine freiwillige Unterstellung unter die MWST-Pflicht möglich.

Kriterien für das Vorliegen einer Holdinggesellschaft

Stellt das Halten von Beteiligungen die einzige Haupttätigkeit dar und sind die folgenden Voraussetzungen erfüllt, liegt aus MWST-Sicht eine Holdinggesellschaft vor:

  1. der statutarische oder tatsächliche Zweck besteht zur Hauptsache in der dauernden Verwaltung von Beteiligungen; und
  2. in der Schweiz wird keine Geschäftstätigkeit ausgeübt; und
  3. die Beteiligungen und/oder die Erträge aus den Beteiligungen machen längerfristig mindestens zwei Drittel der gesamten Aktiven oder Erträge aus.

Kriterium 1 lässt sich in der Regel durch einen kurzen Blick ins Handelsregister leicht überprüfen. Heikler kann aber die MWST-liche Beurteilung der Kriterien 2 und 3 sein.

Im Rahmen der Beteiligungsverwaltung sind Tätigkeiten als Nebenzweck zulässig, die ihren Ursprung zur Hauptsache im Bestreben haben, die eigenen Beteiligungen zweckmässig und erfolgreich zu verwalten. Dazu gehören Hilfstätigkeiten für den Konzern und die Führung von Tochtergesellschaften (z. Bsp. Erbringung von Managementleistungen an die Tochtergesellschaften). Liegen lediglich solche Nebentätigkeiten vor, ist Kriterium 2 erfüllt.

Beim Kriterium 3, dem sog. „Aktiven-“ oder „Ertragstest“, beabsichtigt die ESTV (Entwurf MI 09), Darlehen, Kontokorrente zwischen Konzerngesellschaften und daraus resultierende Erträge bei der Berechnung nicht (mehr) zu berücksichtigen. Die kantonalen Steuerbehörden haben in der Vergangenheit teilweise grosszügig ausgelegt, ob dieses Kriterium längerfristig erfüllt ist und das Holdingprivileg selbst dann gewährt, wenn die Mindestquoten mehreren Jahren unterschritten wurden. Wie die ESTV die „Längerfristigkeit“ handhaben will, wird im Entwurf der MI 09 nicht thematisiert.

HOLDINGGESELLSCHAFT mit von der Steuer ausgenommenen Finanzerträgen

Sind die Kriterien für das Vorliegen einer Holdinggesellschaft erfüllt, gelten die Umsätze aus von der Steuer ausgenommenen Finanzerträgen (z.B. Zinserträge und Wertschriftenverkäufe) als Nebentätigkeit. Die Vorsteuerkorrektur für die gemischte Nutzung der Infrastruktur kann diesfalls mit der Pauschale von 0.02 % berechnet werden.

Beispiel 1

Unter der Annahme, dass für die Verwaltung der Finanzanlagen keine Leistungen zugekauft werden beträgt der Vorsteuerabzug CHF 39‘820 (Vorsteuerkorrektur: CHF 900‘000 x 0.02 % = CHF 180).

BETEILIGUNGSGESELLSCHAFT mit von der Steuer ausgenommenen Finanzerträgen

Hält eine Gesellschaft Beteiligungen, sind aber die Voraussetzungen für eine Holdinggesellschaft nicht erfüllt, spricht die ESTV von einer „Beteiligungsgesellschaft“. Die von der Steuer ausgenommene Verwaltung der Finanzanlagen stellt diesfalls unter Umständen keine Nebentätigkeit, sondern eine weitere Haupttätigkeit neben der Verwaltung der Beteiligungen dar.

Da die ESTV davon ausgeht, dass eine direkte Zuordnung von Kosten auf die einzelnen Haupttätigkeiten in einem derartigen Fall nicht möglich ist, führt dies dazu, dass der Vorsteuerabzug grundsätzlich vollumfänglich verweigert wird.

Beispiel 2

Da die Mindestquoten nicht eingehalten werden und somit die Voraussetzungen für eine Holdinggesellschaft nicht erfüllt sind, liegt eine Beteiligungsgesellschaft vor.

Für die Frage des Umfangs der Vorsteuerabzugsberechtigung muss nun geprüft werden, ob die Verwaltung der sonstigen Finanzanlagen eine Haupttätigkeit oder eine Nebentätigkeit darstellt. Beurteilt die ESTV die Tätigkeit als Haupttätigkeit, wird der Vorsteuerabzug vollumfänglich verweigert. Liegt eine Nebentätigkeit vor, finden die Grundsätze gemäss Beispiel 1 Anwendung (Vorsteuerabzug von CHF 39‘820).

Aus den aktuellen Praxisveröffentlichungen der ESTV lässt sich keine klare Abgrenzung von Haupt- und Nebentätigkeit vornehmen. Aus dem Entwurf der MI 09 kann das diesbezügliche Verständnis der ESTV entnommen werden: Eine Nebentätigkeit wird nämlich dann bejaht, wenn die Gesellschaft glaubhaft darlegen kann, dass weniger als 10 % des übrigen betrieblichen Aufwandes (Kontoklasse 6 des Schweizer Kontorahmen KMU) für die ausgenommene Tätigkeit aufgewendet wird. Werden die Leistungen für eine professionelle Verwaltung eines Wertschriftenportfolios extern eingekauft, dürfte diese Grenze rasch überschritten sein.

Fazit

Da die ESTV ihre Praxis zum Vorsteuerabzugsrecht von Gesellschaften mit Beteiligungen verschärft hat und wohl im Hinblick auf den Entwurf der MI 09 eher noch zunehmend verschärfen wird, erfordert die Vorsteuerthematik bei diesen Gesellschaften eine vertiefte Analyse.

Autorin

Susanne Gantenbein
dipl. Steuerexpertin

Lesezeit: 10 Min 6. Mai 2025