Sie erhalten im Verlauf des Jahres 2020 zusätzliche Post von der Steuerverwaltung. Einerseits erfolgt per 2020 eine allgemeine Neubewertung für nicht-landwirtschaftliche Grundstücke und Wasserkräfte und anderseits kommt für Grundeigentümer mit „Aufdach“ Photovoltaik-Anlagen eine Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis zur Anwendung.
1. Allgemeine Neubewertung 2020 für nichtlandwirtschaftliche Grundstücke und Wasserkräfte im Kanton Bern
1.1 Ausgangslage / Stand der Dinge
Der amtliche Wert eines Grundstücks wirkt sich hauptsächlich auf die Vermögenssteuer (Kanton und Gemein-den) und die Liegenschaftssteuer (Gemeinden) aus. Er wird durch die kantonale Steuerverwaltung festgesetzt. Laut Marktbeobachtung der kantonalen Steuerverwaltung haben sich seit der letzten allgemeinen Neubewertung per 1. Januar 1999, bei der die Marktsituation des Zeitraums von 1993 bis 1996 herangezogen wurde, die Immobilienpreise im ganzen Kanton als auch in allen Regionen erheblich und fast ausnahmelos nach oben entwickelt. Die amtlichen Werte entsprechen somit seit Jahren nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten. Aus diesem Grund hat der Grosse Rat per Dekret eine allgemeine Neuwertung der Grundstücke angeordnet.
1.2 Allgemeine Neubewertung 2020 und deren mögliche Auswirkung auch auf die Eigenmietwerte
Die aktuelle Neubewertung wurde per Stichtag 1. Januar 2020 angeordnet und erfolgt aufgrund der Verhältnisse in der Bemessungsperiode vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2016. Für die Festsetzung der amtlichen Werte soll gemäss Dekret ein Ziel-Medianwert von 70 % der Verkehrswerte angestrebt werden, was insbesondere politisch und rechtlich nicht unumstritten ist. Die gesetzliche Grundlage für die Kompetenzzuteilung zur Bestimmung des Ziel-Medians wird durch die Steuergensatzrevision 2021 (rückwirkend) geschaffen. Zum heutigen Zeitpunkt ist es nicht ausgeschlossen, dass die Höhe des festgesetzten Ziel-Medians von 70 % ein weiteres Mal durch das Bundesgericht auf die Verfassungskonformität geprüft wird.
Die neuen Werte gelten ab dem Steuerjahr 2020 und sind damit erstmals in der Steuererklärung 2020 zu de-klarieren. Laut der kantonalen Steuerverwaltung werden die neuen amtlichen Werte im Zeitraum zwischen Mai und September 2020 eröffnet. Diese allgemeine Neubewertung generiert zusätzliche Vermögens- und Liegenschaftssteuern zu Gunsten von Kanton und Gemeinden.
Zudem kann die Neubewertung auch indirekt Auswirkungen auf den Eigenmietwert eines Grundstücks (und hiermit auf die Einkommenssteuern) haben. Damit auch diese Auswirkungen infolge Neufestsetzung des amtlichen Wertes aufgezeigt werden können, ist darzustellen, auf welcher Basis der amtliche Wert bzw. der Eigenmietwert eines Grundstücks bestimmt wird.
Aufgrund der schweizweiten Steuerharmonisierung sind die Kantone zwar verpflichtet, die Vermögenswerte der Steuerpflichtigen zu bewerten. Hinsichtlich der Bewertungsregeln ist den Kantonen jedoch ein relativ grosser Handlungsspielraum überlassen.
Gemäss bernischem Steuergesetz ist der amtliche Wert aufgrund des Verkehrswerts unter Berücksichtigung von Ertrags- und Realwert massvoll festzusetzen. Unter Verkehrswert wird der auf dem Markt unter normalen Verhältnissen erzielbare Verkaufspreis verstanden.
Der Ertragswert entspricht dem kapitalisierten, auf dem Markt erzielbaren Ertrag.
Die Summe aus Zeitwert (Zustandswert) aller baulicher Anlagen, inklusive Baunebenkosten, und dem relativen Landwert wird Realwert genannt. Die geschätzten amtlichen Werte spiegeln die Verhältnisse auf dem Immobilienmarkt zu einer bestimmten Bemessungsperiode wider.
Im Idealfall erfolgt in der Praxis eine Raumaufnahme vor Ort durch einen amtlichen Schätzer, was im Rahmen einer allgemeinen Neubewertung in der Regel allerdings nicht stattfindet.
Dazu kommt eine Benotung des Grundstücks. Für die Benotung werden verschiedene Faktoren, wie z.B. die Gebäudeart (Einfamilienhaus, Stockwerkeigentum usw.), die Bauqualität, die Verkehrslage als auch das wirtschaftliche Alter des Gebäudes anhand von Tabellenwerten aus den nichtlandwirtschaftlichen Bewertungsnormen der kantonalen Schatzungskommission er-mittelt.
Raumaufnahme und Benotung ergeben den sog. Protokollmietwert (Basismietwert). Dieser Protokollmietwert bildet die Ausgangslage für die Ermittlung des amtlichen Werts als auch des Eigenmietwerts. Somit wer-den die amtlichen Werte als auch die Eigenmietwerte aufgrund einer gemeinsamen Basis festgesetzt. Werden nun die Faktoren zur Ermittlung des Protokollmietwertes verändert, so werden zwangsläufig der amtliche Wert als auch der Eigenmietwert mit verändert.
Für die Ermittlung des Eigenmietwerts wird der Protokollwert mit dem sog. Mietwertfaktor multipliziert. Der Mietwertfaktor wird pro Gemeinde und nicht pro Grundstück festgelegt. Unerwünschte indirekte Auswirkungen auf den Eigenmietwert sollten auf Stufe der Gemeinde mittels Anpassung des Mietwertfaktors beseitigt werden. Wieweit der Eigenmietwert im Einzelfall verändert wird, hängt somit davon ab, in welcher Gemeinde das Grundstück liegt. Die Steuerverwaltung geht davon aus, dass sich die Veränderung des Eigenmietwerts (Erhöhung oder Reduktion) im einstelligen Prozentbereich bewegen wird.
Konkrete Informationen zur Bewertung finden sich beim Steuerbüro der Gemeinde, wo sich die Liegenschaft befindet. Dort können die Bewertungsakten (Grundsteckprotokoll) eingesehen bzw. angefordert werden.
1.3 Fazit
Der Grossteil der neuen amtlichen Werte wird im Jahr 2020 zwischen Mai und September als separate Verfügung an die Eigentümerinnen und Eigentümer und Nutzniesserinnen sowie Nutzniesser eröffnet werden. In Einzelfällen (Augenschein, komplexe Situation, zusätzliche bauliche Veränderungen im Jahr 2020 usw.) kann die Eröffnung auch erst einige Zeit später erfolgen. Die neuen amtlichen Werte können innert einer (nicht verlängerbaren) Einsprachefrist von 30 Tagen angefochten werden. Hingegen kann der Eigenmietwert nicht zusammen mit dem amtlichen Wert bestritten werden. So-fern die Höhe des Eigenmietwertes nicht nachvollziehbar ist, kann dieser erst im Rahmen der ordentlichen Steuerveranlagung 2020 mittels Einsprache angefochten werden.
2. „Aufdach“ Photovoltaik-Anlage im Privat-vermögen und amtliche Bewertung
Wie erwähnt, erfolgt die Vermögensbesteuerung von Grundstücken aufgrund ihrer amtlichen Werte. Das Bundesgericht hatte in seinen Urteilen 5C_510/2017 und 5C_511/2017 vom 16. September 2019 unter anderem zu beurteilen, ob eine auf dem Dach errichtete Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) Gegenstand der amtlichen Bewertung bildet und im bewertungstechnischen Sinn Bestandteil des Grundstücks ist. Das Bundesgericht verneinte dies. Die zu beurteilende PV-Anlage wurde nicht fest mit dem Dach fixiert, sondern bloss mittels Schrauben auf mechanische und wieder ablösbare Art mit dem Dach verbunden. Derartige „Aufdachanlagen“ stellen keine Grundstücksbestandteile dar, die Gegenstand einer amtlichen Bewertung sind.
Aus den Urteilen des Bundesgerichts folgt, dass „Autodachanlagen“ bei der Vermögenssteuer zwar als bewegliches Vermögen zu berücksichtigen sind, diese An-lagen jedoch nicht durch den amtlichen Wert erfasst sein dürfen. Die Erhöhung des amtlichen Werts und in der Folge die Erhöhung des Eigenmietwerts darf daher nicht aufgrund einer Errichtung einer „Aufdach“ PV-Anlage erfolgen.
Im Sinn eines positiven Nebeneffekts erhalten die betroffenen Grundeigentümer im Lauf des Jahres 2020 eine korrigierte Liegenschaftssteuerrechnung 2019 auf Basis des angepassten tieferen amtlichen Wertes (ohne „Aufdach“ PV-Anlage).
Bezüglich der Steuerdeklaration 2020 erlauben wir uns, Sie auf die nachstehenden Punkte aufmerksam zu machen:
Für Zwecke der Vermögenssteuer sind die „Aufdach“ PV-Anlagen auf Liegenschaften des Privatvermögens im Formular 4 als bewegliches Vermögen mit dem Anschaffungsjahr und dem Anschaffungswert zu deklarieren. Dabei wird bereits im Anschaffungsjahr automatisch ein Abschlag von 80 % gewährt, um dem nicht bestehenden Markt für gebrauchte PV-Anlagen und dem da-mit zusammenhängenden Wertzerfall dieses Vermögenswerts Rechnung zu tragen.
„Indach“ PV-Anlagen indessen sind wie bis anhin Bestandteil der Liegenschaft und sollten bereits im amtlichen Wert enthalten sein, weshalb eine zusätzliche Vermögensdeklaration entfällt.
In der Praxis stellen wir ab und zu fest, dass die korrekte Deklaration der Einkünfte Schwierigkeiten bereitet. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass sämtliche Vergütungen (Einmalvergütungen, kostendeckende Einspeisevergütungen usw.) sowohl bei „Aufdach“ als auch „Indach“ PV-Anlagen als steuerbares Einkommen zu de-klarieren sind. Ausserdem führt eine Kürzung des Netzbetreibers für den Bezug der selbst benötigten Energie zu zusätzlichem steuerbarem Einkommen.
Bei Fragen und für weitere Auskünfte wenden Sie sich an unsere Steuerspezialisten.