Sanierung von Kapitalgesellschaften

Schwierige Zeiten erfordern besondere Sanierungsmassnahmen – Sanierungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung derer steuerrechtlicher Auswirkungen.

Aufgrund der aktuellen Covid-19-Krise befinden sich viele Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten. Die Ertragslage ist schlecht, die liquiden Mittel werden knapp oder es kommt sogar zu einer Überschuldung. Zur Abwendung von gesetzlichen Folgen sowie zur Wiederherstellung der Liquidität, der Ertragskraft und des Eigenkapitals können deshalb unter Umständen Sanierungsmassnahmen notwendig werden. Die aktuelle Ausgabe des T+R Info soll eine Orientierungshilfe für Sanierungsmöglichkeiten sowie einen Überblick über deren steuerrechtlichen Auswirkungen geben.

Sanierung im Handelsrecht

Gesetzliche Bestimmungen bei Unterbilanz, Kapitalverlust und Überschuldung

Sind das nominelle Aktienkapital und die gesetzlichen Reserven nicht mehr vollständig gedeckt, aber belaufen sich die kumulierten Verluste auf weniger als 50 % der Summe des nominellen Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven, spricht man von einer Unterbilanz ohne gesetzliche Folgen. Für diesen Fall schreibt das Gesetz noch keine Massnahmen vor.

Erst bei Vorliegen eines sog. hälftigen Kapitalverlustes, d.h. wenn die kumulierten Verluste die Hälfte des nominalen Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven aufgezehrt haben, hat der Verwaltungsrat gemäss Art. 725 Abs. 1 OR unverzüglich eine Generalversammlung einzuberufen und ihr Sanierungsmassnahmen zu beantragen.

Vergrössert sich der Kapitalverlust weiter und besteht Anlass zur Sorge, dass das gesamte Eigenkapital nicht mehr gedeckt ist, in diesem Fall spricht man von einer Überschuldung, muss eine Zwischenbilanz erstellt und einem zugelassenen Revisor zur Prüfung vorgelegt werden (Art. 725 Abs. 2 OR).

Ergibt sich aus dieser Zwischenbilanz, dass das gesamte Eigenkapital und sogar ein Teil des Fremdkapitals weder zu Fortführungs- noch zu Liquidationswerten durch die Aktiven gedeckt sind, muss der Verwaltungsrat das Gericht benachrichtigen und die Bilanz hinterlegen, sofern nicht Gesellschaftsgläubiger mit ihren Forderungen im Ausmass dieser Unterdeckung im Rang hinter alle anderen Gesellschaftsgläubiger zurücktreten.

Auswirkungen der Covid-19 Kredite auf Kapitalverlust und Überschuldung

Wie im letzten T+R Info Nr. 3, Dezember 2020, bereits ausführlich dargestellt, werden gemäss COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung verbürgte Kredite bis CHF 500’000 für die Berechnung von Kapitalverlust und Überschuldung bis zum 31. März 2022 nicht als Fremdkapital berücksichtigt. Damit bietet die Verordnung vor allem für KMU, die den kleinen Kredit bis CHF 500’000 beansprucht haben, vorübergehend einen gewissen Schutz vor Überschuldung und derer gesetzlicher Folgen, wendet aber mittelfristig eine echte Sanierung der Bilanz nicht ab.

Rangrücktritt

Eine rasche und einfache Sofortmassnahme zur Beseitigung der gesetzlichen Folgen ist der Rangrücktritt. Die Schuld der Gesellschaft wird damit zwar nicht rechtlich, jedoch wirtschaftlich zu mithaftendem Eigenkapital, ohne dass damit bereits Steuerfolgen ausgelöst werden. Der Rangrücktritt stellt jedoch keine echte Sanierung der Bilanz dar, sondern erlaubt es den verantwortlichen Organen, Zeit für die Erstellung eines Sanierungsplans zu gewinnen. Dabei ist zu beachten, dass die im Rang zurücktretenden Gläubiger nicht selbst in wirtschaftliche Not geraten dürfen, da andernfalls das Risiko der Anfechtung (sog. paulianische Anfechtungsklage) besteht. Auch muss der Rangrücktritt im Anhang der Jahresrechnung ausgewiesen werden.

Offene und stille Sanierungen

Von einer offenen Sanierung spricht man, wenn das Grundkapital herab- und allenfalls gleichzeitig wieder heraufgesetzt wird (kombiniert spricht man vom sog. Kapitalschnitt bzw. Harmonika). Zu den offenen Sanierungen zählen auch Sanierungsfusionen. Offene Sanierungen erfordern in aller Regel eine öffentliche Beurkundung und haben einen Eintrag im Handelsregister zur Folge. Gerade der Handelsregistereintrag schafft denn auch eine in der Regel unerwünschte Publizität, was zu unerfreulichen Reaktionen von Geschäftspartnern führen kann. Die offenen Sanierungen werden in diesem Beitrag nicht weiter behandelt. 

Im Gegensatz zu einer offenen Sanierung hat die stille Sanierung keinen Eintrag im Handelsregister zur Folge und kann in aller Regel rasch und ohne grosse Formalitäten – es empfiehlt sich dennoch einfache Schriftlichkeit – umgesetzt werden.

Für eine stille Sanierung bestehen folgende Möglichkeiten:

  • Forderungsverzichte
    Beim Forderungsverzicht verzichtet ein Gläubiger unwiderruflich auf seine Forderung, mit der Folge, dass die Forderung definitiv untergeht und auch bei einer Insolvenz der Gesellschaft nicht mehr geltend gemacht werden kann. Davon ausgenommen sind Forderungsverzichte gegen Ausgabe von Besserungs- oder Sanierungsgenussscheinen.

    Ein Besserungsschein räumt dem Gläubiger – welcher nicht an der Gesellschaft beteiligt ist – das Recht ein, im Falle einer Verbesserung der Vermögenslage wieder auf die Forderung zurückzukommen. Es handelt sich somit um einen bedingten Forderungsverzicht.

    Beim Sanierungsgenussschein handelt es sich um ein Beteiligungsrecht, ohne Nennwert oder Mitgliedschaftsrecht; stattdessen wird dem Gläubiger, je nach statutarischen Bestimmungen, ein Anrecht auf einen Teil am Bilanzgewinn gewährt.

  • À-fonds-perdu-Leistungen von Aktionären (Zuschuss in die Reserven)
    Zuschüsse/à-fonds-perdu-Beiträge führen zu einer Erhöhung der Liquidität, ohne dass dadurch neue Passiven entstehen. Durch die Stärkung des Eigenkapitals kann die Unterbilanz der Gesellschaft beseitigt werden.
  • Alternative Möglichkeiten der stillen Sanierung
    Cash Roundtrip
    Beim sog. Cash Roundtrip tätigt der Aktionär – in der Höhe seiner Forderung – eine Geldtransaktion an die Gesellschaft. Danach begleicht die Schuldnerin die ausstehende Forderung des Aktionärs. Allerdings besteht hier das Risiko der Anfechtung mittels paulianischer Anfechtungsklage, weil nur die Forderung des Aktionärs getilgt wird und die Forderungen der übrigen Gläubiger weiterbestehen.

    Forderungseinlage
    Die Forderungseinlage ist eine Sacheinlage der Forderung des Aktionärs in die Gesellschaft. Die Forderung geht vom bisherigen Eigentümer an die Gesellschaft über; danach geht die Forderung durch Verrechnung mit der Schuld unter.

    Zuschussversprechen
    Alternativ zu Vorstehendem könnte, anstelle der effektiven Einlage, ein Zuschussversprechen (sog. Contribution Agreement) des Gläubigers geleistet werden. Anschliessend wird das Zuschussversprechen mit der Schuld der Gesellschaft verrechnet.

    Schuldübernahme
    Eine weitere Variante ist die Übernahme einer Schuld gegenüber Dritten durch den Aktionär, verbunden mit einer Einlage in die Reserven. 3

Steuerliche Auswirkungen von Sanierungen

Steuerrechtlich anerkannte Sanierungsbedürftigkeit
Aus Steuersicht wird die Sanierungsbedürftigkeit einer Gesellschaft dann anerkannt, wenn nach betriebswirtschaftlicher Betrachtungsweise eine echte Unterbilanz vorliegt, d.h. wenn handelsrechtliche Verluste bestehen und die Gesellschaft über keine offenen und/oder stillen Reserven mehr verfügt, welche die Verluste decken. Eine steuerlich privilegiert zu behandelnde Sanierung liegt demnach nur dann vor, wenn die Sanierungsbedürftigkeit steuerrechtlich anerkannt ist und die Verluste durch die Sanierungsmassnahmen ganz oder teilweise eliminiert werden.

  • Aus steuerlicher Optik stellen sich deshalb bei Sanierungsmassnahmen in erster Linie die folgenden zentralen Fragen:
  • Unterliegen die Sanierungsleistungen bei der Gesellschaft der Gewinnsteuer?
  • Welche Auswirkungen haben die Sanierungsleistungen auf die steuerlichen Verlustvorträge?
  • Ist auf den Sanierungsleistungen die Emissionsabgabe geschuldet?

Echte vs. unechte Sanierungserträge
Ob Sanierungsleistungen bei der empfangenden Gesellschaft der Gewinnsteuer unterliegen, hängt im Wesentlichen davon ab, von wem die Leistungen stammen. Werden die Sanierungsbeiträge von unabhängigen Dritten geleistet, stellen diese für die Gesellschaft stets einen echten Sanierungsertrag dar und sind in aller Regel erfolgs- resp. gewinnsteuerwirksam. Gleiches gilt für Sanierungsleistungen von Aktionären und nahestehenden Dritten, soweit diese dem Drittvergleich standhalten bzw. geschäftsmässig begründet sind.

Echter Sanierungsertrag liegt in der Regel bei folgenden Sanierungsleistungen vor:

  • Forderungsverzichte durch unabhängige Dritte (Lieferanten, Kreditgeber, Bankinstitute, usw.)
  • Forderungsverzichte durch Aktionäre (Ausnahme siehe nachstehend)
  • À-fonds-perdu-Leistungen von unabhängigen Dritten
  • À-fonds-perdu-Leistungen von nahestehenden Dritten (sofern geschäftsmässig begründet)

Werden die Sanierungsleistungen indessen von den Aktionären selbst oder von diesen nahestenden Personen erbracht, sind die Sanierungsleistungen bei der Gesellschaft in der Regel gewinnsteuerneutral und stellen unechten Sanierungsertrag dar. Dies gilt selbst dann, wenn die (unechten) Sanierungsleistungen erfolgswirksam über die Erfolgsrechnung verbucht worden sind.

Folgende Sanierungsleistungen führen in der Regel zu unechtem Sanierungsertrag:

  • À-fonds-perdu-Leistungen von Aktionären (Zuschuss in die Reserven) 
  • Forderungsverzichte durch Aktionäre (siehe nachstehend)
  • Forderungsverzichte durch nahestehende Dritte (sofern geschäftsmässig nicht begründet)
  • Alternativen zum Forderungsverzicht d.h. Barzuschuss, Forderungseinlage, Zuschussversprechen und Schuldübernahme, sofern durch Aktionäre geleistet • Kapitalherabsetzung
  • Kapitalherabsetzung, verbunden mit gleichzeitiger Wiedererhöhung (Kapitalschnitt)
  • Sanierungsfusion

Forderungsverzicht durch Aktionäre
Der Forderungsverzicht durch Aktionäre nimmt in dieser Aufteilung eine Sonderstellung ein und es stellt sich im Hinblick auf den steuerbaren Gewinn der zu sanierenden Gesellschaft die Frage, ob es sich dabei um echten oder unechten Sanierungsertrag handelt, und zwar unabhängig davon, ob dieser erfolgswirksam oder erfolgsneutral in der Handelsbilanz verbucht wurde.

Gemäss Verwaltungspraxis der ESTV zur direkten Bundessteuer werden Forderungsverzichte durch Gesellschafter (unter Vorbehalt des Drittvergleichs) grundsätzlich gleich wie Forderungsverzichte durch unabhängige Dritte behandelt – als echter und somit gewinnsteuerwirksamer Sanierungsertrag – womit der Forderungsverzicht der Inhaber die Verlustvorträge der Gesellschaft konsumiert. Die Vernichtung von Verlustvorträgen gilt es aber bei einer Sanierung durch die Gesellschafter selbst gerade zu vermeiden, weshalb in diesem Fall eine der vorstehend beschriebenen Alternativen zum

Forderungsverzicht in Erwägung gezogen werden sollten. Forderungsverzichte durch Aktionäre stellen jedoch ausnahmsweise dann unechten Sanierungsertrag dar, wenn und soweit das Aktionärsdarlehen bereits vor dem Forderungsverzicht als verdecktes Eigenkapital behandelt wurde oder ein unabhängiger Dritter ein solches Darlehen unter den gleichen Umständen nicht mehr gewährt hätte. Das verdeckte Eigenkapital kann – sofern dieses nicht durch Ausbuchung von handelsrechtlichen Verlustvorträgen konsumiert wurde – gewinnsteuerneutral den Reserven aus Kapitaleinlagen gutgeschrieben werden.

Auswirkungen auf die steuerlichen Verlustvorträge
Bekanntlich können die steuerlichen Verlustvorträge bis maximal sieben Jahre vorgetragen und mit zukünftigen Gewinnen verrechnet werden. Eine Ausnahme dazu bilden die Verluste einer steuerrechtlich sanierungsbedürftigen Gesellschaft, d.h. bei Vorliegen einer echten Unterbilanz; bei einer echten Unterbilanz wird die zeitliche Beschränkung der Verlustverrechnung aufgehoben.

Vor diesem Hintergrund sind aus steuerlicher Optik Sanierungsmassnahmen, die keine Konsumation der Verlustvorträge nach sich ziehen (unechter Sanierungsertrag), denjenigen die eine Verlustverrechnung zur Folge haben, vorzuziehen. Schreibt die Gesellschaft dereinst wieder Gewinne, so kann diese auf die nicht konsumierten Verlustvorträge zurückgreifen – womit der Gewinn vollumfänglich zur nachhaltigen Reorganisation und Genesung der Aktiengesellschaft eingesetzt werden kann!

Emissionsabgabe
Sanierungsbeiträge von Aktionären (nicht aber von unabhängigen Dritten) unterliegen grundsätzlich der Emissionsabgabe, und zwar unabhängig davon, ob der Sanierungsbeitrag als À-fonds-perdu-Leistung, als Forderungsverzicht oder in einer alternativen Form eingebracht wurde.

Von der Emissionsabgabe ausgenommen sind hingegen die bei offenen Sanierungen vorgenommene Begründung von Beteiligungsrechten oder die Erhöhung von deren Nennwert sowie bei stillen Sanierungen Zuschüsse der Gesellschafter soweit diese gesamthaft CHF 10 Millionen nicht übersteigen und die bestehenden Verluste beseitigt werden (echter Sanierungsertrag; Art. 6 Abs. 1 Bst. k StG). Für Sanierungsleistungen, die über diesen Freibetrag hinausgehen, steht weiterhin der Steuererlass nach Art. 12 StG zur Verfügung.

Für die Beurteilung der Emissionsabgabe ist gemäss Kreisschreiben 29b der ESTV die handelsrechtliche Verbuchung massgebend. Dies im Gegensatz zur gewinnsteuerrechtlichen Beurteilung von Verlustvorträgen, welche auf die Steuerbilanz abstellt.

Kapitaleinlagereserven
Unter dem Kapitaleinlageprinzip stellen Sanierungsbeiträge von Aktionären unabhängig von ihrer Form grundsätzlich Kapitaleinlagereserven (KER) dar, soweit diese nicht durch Verrechnung mit handelsrechtlichen Verlustvorträgen vernichtet werden.

Der Vorteil von Kapitaleinlagereserven ist zweifelsfrei die steuerfreie Rückzahlung der Kapitaleinlage an ausländische (keine Verrechnungssteuer) oder private Aktionäre, sollte es der Gesellschaft dereinst wieder besser gehen. Die entsprechende Schaffung von Kapitaleinlagereserven geht indessen nicht ohne Entrichtung der Emissionsabgabe.

  • In Bezug auf die steuerrechtliche Behandlung der Kapitaleinlagereserven steht der Gesellschaft somit ein Wahlrecht zu:
  • Buchmässige Verrechnung der Kapitaleinlage mit den handelsrechtlichen Verlusten = Keine Emissionsabgabe, jedoch auch keine Kapitaleinlagereserven
  • Verzicht auf buchmässige Verrechnung und gesonderter Ausweis der Kapitaleinlage auf einem speziellen Reserven-Konto sowie Meldung der Kapitaleinlagereserven mittels Formular 170 an die ESTV = Emissionsabgabe von 1 % geschuldet (mangels Beseitigung der Verluste)

Fazit

Die Sanierung soll die Genesung sowie den langfristigen Fortbestand der Aktiengesellschaft sicherstellen. Mit einer ganzheitlichen Planung und der optimalen Wahl der Sanierungsmassnahmen kann dabei die Steuerlast für die zu sanierende Gesellschaft, wie auch für das Aktionariat, reduziert werden. Es sind dabei u.a. folgende Fragen zu beachten:

  • Kann mit einem Rangrücktritt Zeit für einen Sanierungsplan gewonnen werden?
  • Besteht die Möglichkeit einer stillen Sanierung?
  • Kann die Vernichtung von Verlustvorträgen vermieden werden?
  • Welche erfolgsneutralen Buchungen in der Handelsbilanz werden vom Fiskus potenziell in erfolgswirksamen Ertrag umqualifiziert?
  • Ist die Emissionsabgabe geschuldet?

Für die Beantwortung von Fragen und für die Erteilung weiterer Auskünfte stehen Ihnen unsere Steuerspezialisten gerne zur Verfügung.

Autoren

Michael Leiser
Rechtsanwalt, dipl. Steuerexperte, Vizedirektor

Marcel Fuchs
MAS Swiss and International Taxation

Lesezeit: 10 Min
2. August 2021