Anlagekosten von abgerissenen Gebäuden – steht eine allgemeine Praxisverschärfung bevor?
Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Steuerharmonisierungsgesetzes (StHG) unterliegen der kantonalen/ kommunalen Grundstückgewinnsteuer Gewinne, die sich bei Veräusserung eines Grundstückes (grundsätzlich des Privatvermögens) ergeben, soweit der Erlös die Anlage-kosten (Erwerbspreis zuzüglich wertvermehrende Aufwendungen) übersteigt. Mit der Grundstückgewinn-steuer soll der Gewinn, der das Grundstück ohne Zutun des Eigentümers – z.B. steigende Preise für Bauland – erfahren hat, besteuert werden. Bei der Ermittlung des steuerbaren Grundstückgewinns muss das sog. Kongruenzprinzip beachtet werden; die Berechnung des Gewinns muss sich umfänglich und inhaltlich auf dasselbe Grundstück beziehen. Hat das Grundstück eine wesentliche Veränderung erfahren, so sind für die Berechnung der Grundstückgewinnsteuer vergleichbare Verhältnisse herzustellen.
1. Neues Urteil des Bundesgerichts
Dem Urteil 2C_665/2019 des Bundesgerichts vom 10. März 2020 lag der folgende Sachverhalt zu Grunde:
1983 liess der Vater der Steuerpflichtigen auf einem Grundstück im Kanton Schwyz ein Dreifamilienhaus (mit Nebengebäuden) erstellen. Die Steuerpflichtige erwarb das Grundstück 2003 durch Schenkung. Einige Jahre später liess sie die Gebäude abreissen und stattdessen ein neues Mehrfamilienhaus, aufgeteilt auf fünf Stockwerkeigentumseinheiten, erstellen. 2017 veräusserte sie drei Stockwerkeinheiten an verschiedene Käufer.
Die im Rahmen der Grundstückgewinnsteuerdeklaration durch die Steuerpflichtige gewinnmindernd geltend gemachten Anlagekosten der abgebrochenen Gebäude wurden von der kantonalen Steuerverwaltung nicht akzeptiert.
Vorliegend vertritt das Bundesgericht u.a. die Auffassung, dass der bei der anschliessenden Veräusserung erzielte Erlös keinen Bezug zu den abgebrochenen Gebäuden mehr hat. Demzufolge können nur die Anlagekosten für das neu erstellte Gebäude berücksichtigt werden. Die Kosten des nicht mehr vorhandenen Gebäudes, die offensichtlich zur Wertzunahme des veräusserten Grundstücks nichts beigetragen haben, müssen unberücksichtigt bleiben.
Das Bundesgericht hat zudem darauf hingewiesen, dass dem Kongruenzprinzip gleichzeitig eine Abgrenzungsfunktion gegenüber der Einkommenssteuer zukommt: Werde nach einem Gebäudebrand Brachland veräussert, so beziehe sich der Erlös (betreffend die Grundstückgewinnsteuer) auf ein anderes, als das ursprünglich erworbene Gebäude. Beim Untergang von Gebäuden im Privatbesitz handle es sich um einen privaten Vermögensverlust und sei somit steuerlich unerheblich.
2. Folgen für bernische Grundeigentümer/ Verkäufer
Die Steuerverwaltung des Kantons Bern hat, neben weiteren Kantonen, « alte » Anlagekosten für die Berechnung resp. zwecks Reduktion des steuerbaren Grundstückgewinns bisher mitberücksichtigt. Es bleibt im Einzelfall im jeweils betroffenen Kanton zu prüfen, ob und wie das Bundesgerichtsurteil dort umgesetzt wird.
3. Erste Erkenntnisse
Zu bedenken ist, dass das vorliegende Urteil für aus dem Privatvermögen verkaufte Grundstücke (und bei Vorsorgeeinrichtungen) Wirkung entfaltet. Grundstücke im Geschäftsvermögen sind hingegen nicht tangiert, da die wegfallenden Anlagekosten bzw. die abgebrochene Substanz durch Abschreibungen gewinn- bzw. einkommenssteuerlich geltend gemacht werden kann. Daher ist bei einmaligen Immobilienprojekten stets zu prüfen, eine Kapitalgesellschaft einzusetzen, um das Projekt über diese abzuwickeln.
Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass im Kanton Bern die Rückbaukosten von Liegenschaften im Privat-vermögen im Hinblick auf einen Ersatzneubau ab dem Steuerjahr 2020 einkommenssteuerlich abgezogen wer-den können. Diese eigentlichen Abbruchkosten sind in-dessen nicht mit den Anlagekosten, die Gegenstand des hier vorgestellten Urteils bilden, zu verwechseln.
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