Im Rahmen der Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) hat der Bundesgesetzgeber zur Förderung des Steuer- und Innovationsstandortes Schweiz die steuerlich attraktiven Instrumente der Patentbox und des Zusatzabzugs auf Forschungs- und Entwicklungskosten eingeführt. Nachstehend präsentieren wir Ihnen unsere ersten Erfahrungen mit diesen beiden Instrumenten.
1. Einleitung
Seit dem 1. Januar 2020 können selbstständig Erwerbende und Kapitalgesellschaften von neuen steuerlichen Instrumenten profitieren, deren steuerliche Wirkung kantonal teilweise sehr unterschiedlich ausfällt.
1.1 Patentbox
Erträge aus patentgeschützten Produkten und Herstellungsprozessen können auf Antrag bei den Kantons- und Gemeindesteuern neu reduziert besteuert werden. Die Höhe der Entlastung ist kantonal geregelt und kann bis zu 90 % (z.B. Kt. ZH und BE) des berechneten Boxengewinnes betragen. Allerdings darf der steuerbare Reingewinn der Unternehmung dadurch maximal um 70 % entlastet werden (Entlastungsbegrenzung). Auch hier bestehen kantonal tiefere Entlastungsbegrenzungen.
1.2 Zusatzabzug für F&E-Kosten
Ist eine Unternehmung im Bereich der Forschung und Entwicklung tätig, so kann diese die dafür entstehenden Kosten je nach kantonaler Ausgestaltung des Zusatzabzugs auf kantonaler und kommunaler Ebene bis zum Faktor 1.5 in Abzug bringen. Die Berechnungsgrundlage für die Ermittlung des Zusatzabzugs bilden die Personalkosten (Eigenforschung) oder die von Dritten in Rechnung gestellten Kosten für Auftragsforschung.
2. Wie geht T+R zur Einführung dieser Instrumente vor?
Für die Prüfung, ob eine Unternehmung von einem dieser Instrumente profitieren kann, hat sich eine zweistufige Vorgehensweise – Grobanalyse und Detailanalyse – als zielführend herausgestellt.
Am Anfang der Grobanalyse empfiehlt sich in einem ersten Schritt ein Kick-off Meeting, idealerweise unter Anwesenheit der für F&E und die Finanzen verantwortlichen Personen. An diesem Meeting lassen wir uns die Prozesse und die Struktur rund um F&E als auch die Patente detailliert erklären. Um eine erfolgreiche Analyse und eine allfällige spätere Implementierung der Instrumente vollziehen zu können, gilt es, das Geschäftsmodell des Kunden und die relevanten Prozesse und Strukturen zu verstehen.
Die Grobanalyse wird durch den Vergleich der Vor- und Nachteile sowie der zu erwartenden Steuereffekte beider Instrumente abgeschlossen.
Oft kann nach dieser Gegenüberstellung der Entscheid gefasst werden, ob STAF-Massnahmen möglich sind und welches der Instrumente im konkreten Fall vorteilhafter ist: Patentbox und/oder Zusatzabzug F&E.
Im Rahmen der Detailanalyse sind in einem nächsten Schritt in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden die relevanten Daten in Bezug auf F&E bzw. auf die Patentbox zu ermitteln und die Dokumentationen und Nach-weise für die Steuerbehörden aufzubereiten.
Für die erstmalige Geltendmachung der Patentbox oder des Zusatzabzugs F&E empfiehlt sich die Einreichung eines steuerlichen Vorabbescheids (sog. Steuerruling) bei den involvierten Steuerbehörden, worin die Unternehmenstätigkeit, insbesondere der Patent- und F&E-Bereich, erläutert und die Funktions- und Berechnungsweise des gewählten STAF-Instrumentes aufgezeigt werden. Durch die Zustimmung der Steuerbehörden er-hält die Unternehmung Rechtssicherheit bezüglich der Ausgestaltung und der Vorgehensweise, wobei beide Abzüge in der Steuererklärung zu deklarieren sind und einer jährlichen Überprüfung durch die Steuerbehörden unterliegen.
Bei weniger intensiver F&E-Tätigkeit kann auf die vorgängige Einreichung einer Rulingeingabe verzichtet werden. Die Dokumentation und Deklaration des Zusatzabzuges erfolgt in diesen Fällen lediglich im Rahmen der Steuererklärung.
3. Unsere Praxiserfahrungen
3.1 Wer kann profitieren?
Diese Instrumente können folgende Unternehmungen geltend machen:
- Unternehmungen mit patentgeschützten Produkten und Herstellungsprozessen: sie können die Patentbox geltend machen.
- Unternehmungen, die selber neue Produkte, Verfahren, Prozesse und Dienstleistungen entwickeln und nicht eine reine Handelstätigkeit ausüben. Allerdings braucht es keine eigene F&E-Abteilung, die entsprechenden Personen (Forschende usw.) können auch in anderen Abteilungen (bspw. der Produktion usw.) organisatorisch angesiedelt sein.
3.2 Erste Erkenntnisse zur Patentbox
- Das Instrument sollte in den Patentierungsentscheid miteinbezogen werden. Die Eintragung im Schweizer Patentregister genügt, um die Eintrittsvoraussetzungen zu erfüllen.
- Die Patentbox kann je nach Ausgestaltung im Steuereffekt durchschlagender sein als der Zusatzabzug F&E, dies insbesondere deshalb, weil die Boxengewinne (je nach Kanton) um bis 90% reduziert werden können.
- Die Patentbox kann ausscheiden, wenn auf der gewählten Boxenlösung nicht eine genügend hohe Gewinnmarge erzielt wird; diese sollte erfahrungsgemäss über 7 % liegen.
- Die Patentbox ist aufwändiger in der Einführung und kann Umstellungen im Rechnungswesen bedingen, um zukünftig den sog. Boxengewinns effizient ermitteln zu können.
- Je nach Kanton ist die Patentbox unterschiedlich attraktiv ausgestaltet. Gerade der Kanton Bern hat sich für die Ausgestaltung einer attraktiven Patentbox entschieden und gewährt eine maxi-male Entlastung von 90 % des Boxengewinns. Gleichzeitig ist im Kanton Bern die Eintrittsbesteuerung auf den kumulierten F&E-Kosten der letzten 10 Jahre mit einem Steuersatz von 1.7 % sehr tief.
- Gerade im KMU-Umfeld stellt der geforderte Nexus-Quotient i.d.R. keine Hürde dar, weil in diesen Verhältnissen häufig keine Forschungsarbeiten durch ausländische Konzerngesellschaften durch-geführt und Patente nur selten zugekauft werden.
- Bei schlüssig begründeten Eingaben mit entsprechenden Nachweisen können die Steuerbehörden die Ausgestaltung der Patentboxen zeitnah prüfen und genehmigen.
3.3 Erste Erkenntnisse zum Zusatzabzug für F&E
- Der Zusatzabzug für F&E ist in der Umsetzung deutlich einfacher: die Unternehmungen kennen ihre Personalkosten und ihre Forschungstätigkeiten; im Interview lassen sich diese relativ einfach auf die effektiven F&E-Tätigkeiten reduzieren.
- Bei etlichen Unternehmungen, die F&E-Tätigkeiten ausüben, kann mit verhältnismässig geringen Initialkosten eine jährlich wiederkehrende Entlastung des steuerbaren Reingewinnes (Kanton Bern: bis maximal 70 %) erzielt werden.
- Auch hier muss der Sachverhalt den Steuerbehörden verständlich und plausibel dargelegt werden, um das neue Instrument rasch einführen zu können. In gewissen Fällen kann der Aufwand für die Begründung und Erläuterung hinsichtlich der Abgrenzung qualifizierender und nicht qualifizieren-der Tätigkeiten ein nicht zu vernachlässigendes Ausmass annehmen.
- Der Zusatzabzug kann zudem die Attraktivität eines F&E-Standortes innerhalb einer Gruppe steigern.
4. Praxisbeispiel zum Zusatzabzug für F&E
Eine Unternehmung in Langenthal ist im industriellen Bereich (Metallbauwesen) tätig und entwickelt fortlaufend neue innovative Produkte, die sie anschliessend am Markt anbietet bzw. in ihren Produkten einsetzt. Die Unternehmung mit 25 Mitarbeitenden (MA) hat drei Mit-arbeitende, die in der Produkteentwicklung (F&E) tätig sind. Organisatorisch sind diese Mitarbeitenden jedoch in der Produktion (2 MA) und in der Geschäftsleitung (CEO, 1 MA) angesiedelt.
Im konkreten Fall sind die Tätigkeiten der Mitarbeitenden abzugrenzen von sog. vor- und nachgelagerten Tätigkeiten, die nicht als Forschung und Entwicklung qualifizieren. Im Ergebnis betragen die für den Zusatzabzug für F&E qualifizierenden Personalkosten CHF 160’000 (inkl. Spesen, Sozialversicherungen, Weiterbildungskosten).
Zu diesen Personalkosten ist ein Pauschalzuschlag von 35 % (Abgeltung Infrastruktur usw.) zu addieren, womit F&E-Kosten von CHF 216’000 resultieren. Davon dürfen im Kanton Bern 50 % (CHF108’000) als zusätzliche F&E-Kosten in Abzug gebracht werden. Allerdings wird dieser Zusatzabzug nicht in der handelsrechtlichen Erfolgsrechnung verbucht, sondern der Abzug erfolgt einzig in der Steuererklärung.
Unter der Annahme, dass die Unternehmung einen Gewinn vor Steuern von CHF 180’000 erzielt, reduziert sich durch den Zusatzabzug für F&E die jährliche Gewinnsteuerbelastung von CHF 34’000 auf neu noch CHF 20’000 (jährliche Steuerersparnis von rund 41 %).
Wenn Sie das Gefühl haben, dass allenfalls auch Ihre Unternehmung für die neuen Instrumente qualifiziert, so stehen wir Ihnen für eine erste Grobanalyse und die anschliessende Implementierung gerne unterstützend zur Seite.
Bei Fragen und für weitere Auskünfte wenden Sie sich an unsere Steuerspezialisten.
Philipp Beck
Mathias Josi
Thomas Kunz
Michael Leiser
Martin Röthlisberger
Nicole Siegenthaler
Autoren
Martin Röthlisberger
Rechtsanwalt dipl. Steuerexperte
Philipp Beck
dipl. Steuerexperte
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13. Dezember 2021