Der Eigenmietwert: Das Ende einer nie enden wollenden Geschichte?

Bekanntlich wird als Eigenmietwertbesteuerung die einkommenssteuerliche Erfassung der Selbstnutzung eigener Liegenschaften bezeichnet. Technisch betrachtet ist der Eigenmietwert ein Naturaleinkommen. Diese Besteuerung wurde 1934 per Notrecht als Teil einer sogenannten «eidgenössischen Krisenabgabe» eingeführt und 1958 ins reguläre Recht transformiert. Das System der Eigenmietwertbesteuerung ist seit Jahrzehnten ein Zankapfel. Über die Jahre ist eine Vielzahl parlamentarischer Vorstösse und Initiativen eingereicht worden, um die geltende Regelung auf eine neue Grundlage zu stellen oder ganz abzuschaffen. Seit 1999 war die Eigenmietwertbesteuerung insgesamt dreimal Gegenstand eidgenössischer Urnengänge, ohne die notwendige Mehrheit zu finden. Der Versuch der Abschaffung ist im Dezember 2024 um eine bedeutende und vielleicht entscheidende Episode reicher geworden.

Initiative «Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung»

Im Februar 2017 reichte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S) eine parlamentarische Initiative ein. Diese wollte die Abschaffung des Eigenmietwerts bei selbstgenutztem Wohneigentum für den Hauptwohnsitz, nicht jedoch für Zweitwohnungen. Im Gegenzug sollten verschiedene Abzüge gestrichen oder modifiziert sowie die Abziehbarkeit der privaten Schuldzinsen begrenzt oder komplett unterbunden werden. Um diese Ziele zu erreichen, musste eine Teilrevision des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) sowie des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) in Angriff genommen werden.

Differenzen zwischen Stände- und Nationalrat

Es zeigte sich rasch, dass zwischen den beiden Parlamentskammern in zentralen Punkten und bezüglich Varianten Uneinigkeit herrschte. Die Vorlage pendelte jahrelang zwischen den beiden Räten hin und her. Die Differenzen bezogen sich auf folgende Kernelemente:

  1. Der Ständerat wollte den Eigenmietwert nur bei Erstwohnungen abschaffen, der Nationalrat auch bei Zweitwohnungen.
  2. Heute werden Schuldzinsen im Umfang der steuerbaren Vermögenserträge und weiterer
    CHF 50’000 zugelassen. Der Ständerat wollte den Schuldzinsenabzug auf maximal 70 % der steuerbaren Vermögenserträge limitieren. Der Nationalrat sprach sich hingegen für die Anwendung der sogenannten «quotal-restriktiven Methode» aus. Dabei hängt der maximale Schuldzinsabzug vom Anteil der vermieteten Liegenschaften am Gesamtvermögen ab. Verfügt eine steuerpflichtige Person bspw. über ein Bruttovermögen von CHF 4 Mio., wovon CHF 1 Mio. auf vermietete Liegenschaften entfallen, kann sie 25 % ihrer Schuldzinsen abziehen. Die Idee ist, dass nur noch Schuldzinsen im Zusammenhang mit vermietetem Wohneigentum abzugsfähig sein sollen. Wer keine vermieteten Liegenschaften im Eigentum hat, dem steht kein Schuldzinsenabzug zur Verfügung.
  3. Schliesslich wollte der Nationalrat für die Kantone die Möglichkeit zur Erhebung einer Objektsteuer auf selbstbewohnten Zweitwohnungen schaffen. Diese bezweckt mittels einer neuen Verfassungsbestimmung, dass die Kantone oder die Gemeinden beim Wegfall des Eigenmietwerts auf überwiegend selbstgenutzten Zweitliegenschaften eine besondere Liegenschaftssteuer erheben können. Wichtig ist, dass diese besondere Steuer nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Eigenmietwert von selbstgenutzten Zweitliegenschaften vom Bund und von den Kantonen nicht mehr besteuert und es zur Umsetzung des vollständigen Systemwechsels im Sinn des Nationalrats kommt. Wird diese Abschaffung nicht umgesetzt oder später eine Eigenmietwertbesteuerung auf Zweitliegenschaften wieder eingeführt, so dürfen die Kantone die besondere Liegenschaftssteuer nicht erheben. Die Verknüpfung der Objektsteuer mit der Abschaffung des Eigenmietwerts ist zudem gegenseitig. Beide Vorlagen können nur zusammen in Kraft treten, oder es tritt keine in Kraft.

Das drohende Scheitern der Vorlage

Am 17. Dezember 2024 trafen sich je 13 Mitglieder von National- und Ständerat zur Einigungskonferenz. Ihre Aufgabe war es, die Differenzen zwischen den beiden Räten zu bereinigen, was gelang. Dabei setzte sich die Haltung des Nationalrats für einen komplette Abschaffung des Eigenmietwerts, d.h. inklusive Zweitwohnungen, durch. In der Folge stimmten beide Räte dieser Lösung zu. Gleichzeitig entschied das Parlament, die neue Objektsteuer für Zweitwohnungen einzuführen.

Rekapitulation

Zusammenfassend präsentiert sich die Lage nach dem Willen des Parlaments im Wesentlichen wie folgt:

  • Die Besteuerung des Eigenmietwerts wird auf Erst- und Zweitwohnungen abgeschafft.
  • Der Abzug für Liegenschaftsunterhaltskosten fällt weg.
  • Bezüglich Kosten in den Bereichen Energiesparen und Umweltschutz können die Kantone weiterhin einen Abzug zulassen.
  • Der Schuldzinsenabzug wird erheblich gesenkt und auf vermietete Liegenschaften beschränkt.
  • Als Ausnahme kann beim erstmaligen Erwerb einer selbstgenutzten Liegenschaft über zehn Jahre ein beschränkter Schuldzinsenabzug geltend gemacht werden.
  • Die Kantone/Gemeinden erhalten die Möglichkeit, eine Sondersteuer auf Zweitliegenschaften zu erheben.

Ausblick

Der ewige Kampf um den Eigenmietwert bzw. um dessen Abschaffung ist damit um eine Episode reicher, aber immer noch nicht beendet. Das Parlament hat sich zwar in Form des Bundesgesetzes über den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung auf eine Abschaffung geeinigt. Einerseits unterliegt diese Gesetzesänderung aber dem fakultativen Referendum. Andererseits ist zu bedenken, dass die Einführung der Objektsteuer als Einfügung in die Bundesverfassung dem obligatorischen Referendum unterliegt und damit von Volk und Ständen angenommen werden muss. Weil eine untrennbare Verbindung zwischen den beiden Vorlagen besteht, d.h. die Abschaffung des Eigenmietwerts direkt von einer Annahme der Sondersteuer abhängt und umgekehrt, kommt es mit Sicherheit zu einem «Showdown» über die Eigenmietwertabschaffung im Rahmen einer Volksabstimmung. Dem Vernehmen nach kann eine solche frühestens im Mai 2025 stattfinden.

Ob und auf welchen Stichtag der Eigenmietwert tatsächlich abgeschafft ist, bleibt somit auch nach einem fast achtjährigen parlamentarischen Prozess und der nun erzielten Einigung in den eidgenössischen Räten unklar. Bei Annahme der Vorlage ist frühestens mit einem Inkrafttreten auf 2026 oder 2027 zu rechnen. Sollte das Volk das Vorhaben an der Urne verwerfen, bleibt der Eigenmietwert weiterhin bestehen und dürfte im Jahr 2034 seinen 100. Geburtstag feiern.

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Autor

Mathias Josi
dipl. Steuerexperte

Lesezeit: 10 Min
23. Dezember 2024