Fokus «Eigene Aktien» – Das Bundesgericht schafft Klarheit!

Im Anschluss auf unseren TaxFlash vom 20. April 2023 (vgl. Link), in dem wir die steuerlichen Entwicklungen rund um das Thema eigene Aktien behandelt haben, können wir Ihnen die neusten Entwicklungen präsentieren. Mit Leitentscheid (9C_135/2023 vom 6. Juni 2024) hat das Bundesgericht klargestellt, dass der Verkauf von eigenen Aktien an Mitarbeitende bei erfolgsneutraler Verbuchung auch keine gewinnsteuerliche Aufrechnung nach sich ziehen darf. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass dieser Vorgang eine steuerneutrale Kapitaleinlage darstellt.

1. Einleitung und Hintergrund

Seit der Einführung des neuen Rechnungslegungsrechts im Jahr 2013 hat sich das Bundesgericht bereits zweimal mit diesem Thema auseinandergesetzt – 2019 in Bezug auf die Kapitalsteuer und 2021 bezüglich der Mehrwertsteuer. Beim neusten Entscheid steht die Gewinnsteuer im Fokus. Konkret geht es darum, ob der Verkauf eigener Aktien bei erfolgsneutraler Verbuchung gewinnsteuerneutral bleibt oder ob eine steuerrechtliche Korrekturnorm existiert, die zu einer gewinnsteuerlichen Aufrechnung führt.

Mit der Einführung des neuen Rechnungslegungsrechts im Jahr 2013 vollzog der Gesetzgeber einen Paradigmenwechsel hin zum international anerkannten Konzept, wonach der Rückkauf eigener Aktien wirtschaftlich einer Kapitalherabsetzung gleichzusetzen ist. Dieser Systemwechsel führte dazu, dass die eigenen Aktien handelsrechtlich kein Aktivum mehr darstellen und im Umfang des Anschaffungswertes als Minusposition im Eigenkapital auszuweisen sind (vgl. nachstehende Darstellung nach neuem Rechnungslegungsrecht). Durch den Ausweis dieser Minusposition wird das Ausschüttungspotential der Gesellschaft verringert, was wiederum dem Kapitalschutz dient.

Werden zurückgekaufte eigene Aktien später wieder ausgegeben, ist rechnungslegungsrechtlich der Minusposten wieder aufzulösen. Ein Differenzbetrag zwischen Ausgabepreis und Anschaffungskosten ist buchhalterisch nach weit verbreiteter Auffassung erfolgsneutral im Eigenkapital zu erfassen (Konto «Gesetzliche Kapitalreserven»).

2. Wie urteilte nun das Bundesgericht?

Im zu beurteilenden Fall verbuchte der an der Schweizer Börse kotierte Konzern die zurückgekauften eigenen Aktien in ihrer Bilanz nicht als Aktivum, sondern als Minusposten im Eigenkapital. Bei den im Rahmen des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms wieder ausgegebenen eigenen Aktien resultierte eine positive Differenz zwischen den Anschaffungskosten beim Rückkauf und dem höheren Zuteilungswert bei der Wiederausgabe an die Mitarbeitenden. Dieser Mehrerlös wurde daraufhin erfolgsneutral in die gesetzliche Kapitalreserve gebucht. Wie eingangs ausgeführt, ist die buchhalterische Behandlung bei Rückkauf und Wiederbegebung unbestrittenermassen handelsrechtskonform.

Wie erwähnt, war bis anhin strittig, ob eine steuerrechtliche Korrekturvorschrift besteht, die für gewinnsteuerliche Zwecke trotz handelsrechtskonformer erfolgsneutraler Verbuchung vorschreibt, dass der positive Mehrerlös einen steuerbaren Kapitalgewinn darstellt und damit der Gewinnsteuer unterliegt.

Mit Leitentscheid von anfangs Juni hält das Bundesgericht schlüssig und nachvollziehbar fest, dass im Steuerrecht keine Korrekturnorm besteht, die eine Besteuerung eines erfolgsneutral verbuchten Mehrerlöses bei der Wiederbegebung von eigenen Aktien zulassen würde. Weiter hält das Bundesgericht fest, dass eigene Aktien keine Vermögenswerte sind, und die Wiederbegebung der zurückgekauften eigenen Aktien somit einen steuerfreien Kapitaleinlagevorgang nach Art. 60 Bst. a DBG darstellt. Da diese Einlage direkt von den erwerbenden Aktionären geleistet wird, müsste diese nach Ansicht des Autors als steuerlich privilegierte «Reserve aus Kapitaleinlagen» (sog. KER) qualifizieren.

In der Konsequenz ist davon auszugehen, dass ein Minderertrag aus der Wiederbegebung neu gewinnsteuerlich unbeachtlich bleibt. Ausserdem ist zu erwarten, dass das Urteil auch Auswirkungen auf die Stempelabgaben (Emissions- und Umsatzabgabe) haben wird.

Dieser begrüssenswerte Entscheid ist nicht nur für Unternehmungen mit Mitarbeiterbeteiligungsplänen relevant, sondern auch auf andere Konstellationen anwendbar, in denen Unternehmungen zuvor erworbene eigene Aktien wieder ausgeben.

Zögern Sie nicht, sich bei Fragen mit unseren Steuerspezialisten in Verbindung zu setzen.

Autor

Philipp Beck
dipl. Steuerexperte

Lesezeit: 10 Min 26. Juni 2024