Wandeldarlehen – Attraktive Mittelbeschaffung für Startups mit steuerlichen Tücken

Für viele aufstrebende Startups ist die Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten oft eine Her­ausforderung. Hier können Wandeldarlehen, auch bekannt als Convertible Loans, eine fle­xible und attraktive Option zur schnellen Liquiditätsbeschaffung darstellen.

Was verbirgt sich hinter einem Wandeldarlehen?

Ein Wandeldarlehen ist im Wesentlichen ein Darlehen, häufig verzinst, das die Möglichkeit bietet oder die Verpflichtung mit sich bringt, zu einem späteren Zeitpunkt und unter definier­ten Bedingungen in Eigenkapital umgewandelt zu werden. Dieses sogenannte “hybride Fremdkapital” ermöglicht es Investoren, sich anstatt einer reinen Rückzahlung des Darle­hens an der Unternehmensentwicklung zu beteiligen (=Eigenkapital). Dabei können Gründer und Investoren die stets heikle Frage nach der Unternehmensbewertung in die Zukunft ver­schieben.

Diese insbesondere bei Startups beliebte Finanzierungsform spielt eine entscheidende Rolle für junge Unternehmen, die Kapital aufnehmen möchten, ohne unmittelbar Eigenkapitalantei­le abzugeben. Sie bietet Startups nicht nur Flexibilität bei der Kapitalbeschaffung, sondern schafft auch eine langfristige Bindung zwischen Startup und Investor. Dies ist strategisch wichtig, um stabile Investitionsbeziehungen aufzubauen und das Wachstum des Unterneh­mens zu unterstützen.

Durch das Inkrafttreten der Aktienrechtsrevision per 1. Januar 2023 und der damit neu einge­führten Statutenpublizität (Art. 634a Abs. 3 OR) könnte die Beliebtheit jedoch einen Dämp­fer erleiden. Dies deshalb, weil der erwähnte Artikel vorschreibt, dass die Statuten den Be­trag der zur Verrechnung gebrachten Forderung, den Namen des Aktionärs und die ihm zukommenden Aktien angeben müssen. Die unliebsame Konsequenz, als Investor in den Statuten namentlich erwähnt zu werden, hat das Potential, private Investoren abzuschre­cken. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Praxis bei der Statutenpublizität entwickeln wird.[1]

[1] Vgl. Claudio Gür und Benjamin Domenig, Convertible Loan Agreements und die Statutenpublizität nach Art. 634a Abs. 3 OR, GesKR 2023 S. 240

Vor- und Nachteile

Fallbeispiel Startup-Innovation AG

Andrea Einstein und Damian Düsentrieb forschen im Bereich der innovativen Technologien für erneuerbare Energien. Sie beschliessen zusammen die Startup-Innovation AG zu grün­den und stellen rasch ein Kern-Team auf die Beine. Für die Weiterentwicklung ihres Projek­tes benötigen sie dringend finanzielle Mittel, weshalb sie aktiv in Investorenkreisen ihre Ge­schäftsidee bewerben. Dabei konnte die private Investorin, Angela Geldengel, mit grosser Erfahrung im Bereich der erneuerbaren Energien, gewonnen werden.

Die vereinbarte Frühphasenfinanzierung erfolgt in Form eines Wandeldarlehens im Umfang von CHF 200’000 mit einer Laufzeit von zwei Jahren (Verzinsung zu 3.5 % pro Jahr). Die In­vestorin wird verpflichtet, dieses Darlehen bei der kommenden Investitionsrunde in Aktien zu wandeln. Der Wandlungspreis pro Aktie bestimmt sich nach dem Wert der zukünftigen In­vestitionsrunde, wobei Angela Geldengel bei der Wandlung ein Diskont von 25 % zukommt. Durch diesen Diskont wird die Investorin für das Risiko belohnt, das sie in dieser frühen Pha­se eingeht. Kommt hinzu, dass im Zeitpunkt der Darlehensgewährung eine Bewertung der Startup-Innovation AG entfällt und die Gesellschaft dadurch rasch finanziell benötigte Mittel erhält.

Gegen Ende des 2. Jahres konnte die erste Finanzierungsrunde zu einer Pre-Money-Bewer­tung, d.h. einer Bewertung vor der Finanzierungsrunde, von CHF 3.5 Mio. abgeschlossen werden. Im Rahmen der Investitionsrunde erfolgte die Wandlung des Darlehens über CHF 200’000 zu einem Diskont von 25 %.

Alles gut oder bestehen allenfalls steuerliche Risiken?

Ganz grundsätzlich sollte sich jedes Startup von Beginn weg die Frage nach der Anzahl möglicher Wandeldarlehen stellen. Denn, sofern das Unternehmen eine gesamthafte Darle­hensschuld von mindestens CHF 500’000 eingeht und mehr als 10 Darlehensbeziehungen zu identischen Bedingungen bzw. 20 zu variablen Bedingungen an Nichtbankengläubiger vorhanden sind (10/20-Regel), qualifizieren diese Darlehen verrechnungssteuerlich als Obli­gation. Dies bedeutet, dass auf den Darlehenszinsen und allenfalls dem Wandlungsdiskont die Verrechnungssteuer von 35 % geschuldet ist. Wie dem Sachverhalt zu entnehmen ist, wird die 10/20-Regel von der Startup-Innovation AG nicht verletzt, weshalb die Verrech­nungssteuer vorliegend ausser Acht gelassen werden kann.

Aus Sicht der Startup-Innovation AG sind die während der Laufzeit an Angela Geldengel bezahlten Zinsen geschäftsmässig begründeter Aufwand und unterliegen bei der Investorin der Einkommenssteuer.

Im Zeitpunkt der Wandlung erfolgt eine erfolgsneutrale Buchung von Fremdkapital in Eigen­kapital (Aktienkapital und Reserven aus Kapitaleinlagen). Die Startup-Innovation AG muss für die Deklaration der Emissionsabgabe besorgt sein und kann im Umfang der Über-pari-Emission [sog. Agio] eine (steuerlich privilegierte) Kapitaleinlagereserve verbuchen.

So weit so gut. Wie sieht es nun mit dem Wandlungsdiskont aus? Die steuerliche Beurtei­lung hängt davon ab, ob es sich um ein «klassisches» oder ein «nicht-klassisches» Wandel­darlehen handelt. Denn nur im erstgenannten Fall, ist der Wandlungsdiskont für Angela Geldengel einkommenssteuerfrei. Dies trifft zu, sofern:

  • ein maximaler Wandlungsdiskont von 20 % gewährt wird (nicht publizierter Praxis der Eidg. Steuerverwaltung );[2]
  • die Investoren neu geschaffene Beteiligungsrechte erhalten (Verwendung von erworbenen eigenen Aktien ist schädlich);
  • die Gesellschaft Inländerin ist und
  • entweder die Ausgabe der Beteiligungsrechte zu pari (oder mit einem Agio) erfolgt; oder
  • die Rückzahlung des Darlehens zu pari erfolgt

[2] Vgl. Stefan Oesterhelt, Finanzierung von Start-ups mit Wandeldarlehen, StR 3/2024

Da der vereinbarte Wandlungsdiskont den von der Eidg. Steuerverwaltung anerkannten Dis­kont von max. 20 % übersteigt, führt bereits die Verletzung dieses Kriteriums gemäss der aktuellen Verwaltungspraxis zur Qualifikation als «nicht-klassisches» Wandeldarlehen, wes­halb der gesamte Wandlungsdiskont von 25 % (ausmachend CHF 50’000) bei Angela Geldengel der Einkommenssteuer unterliegt. Würde die Startup-Innovation AG zudem die 10/20-Regel verletzen, fiele das Wandeldarlehen (Zins und Wandlungsdiskont) zusätzlich in den Anwendungsbereich der Verrechnungssteuer.

Fazit:

Wandeldarlehen stellen ein vielseitiges Finanzierungsinstrument dar, das Startups dabei unterstützt, ihr Wachstum zu finanzieren, Investoren anzulocken und langfristige finanzielle Stabilität zu gewährleisten. Durch die Umwandlung von Schulden in Eigenkapital entsteht eine Win-Win-Situation für Unternehmen und Investoren. Diese Finanzierungsoption hat sich in der Startup-Szene als äußerst beliebt etabliert.

Aus steuerrechtlicher Sicht ist insbesondere ab einer Kreditsumme von CHF 500’000 und 10 Nichtbanken-Gläubiger Vorsicht geboten oder falls der Wandlungsdiskont eines Einzel­darlehens 20 % übersteigt.

Da neben den Startups auch jede Finanzierungsituation einzigartig ist, zögern Sie nicht, sich bei Fragen mit unseren Steuerspezialisten in Verbindung zu setzen.

Autor

Philipp Beck
dipl. Steuerexperte

Lesezeit: 10 Min 15. Mai 2024