Am 1. Januar 2025 tritt das teilrevidierte Mehrwertsteuergesetz (MWSTG) sowie die teilrevidierte Mehrwertsteuerverordnung (MWSTV) in Kraft. Welche Änderungen ergeben sich daraus? Wen betrifft es? Ein erster Kurzüberblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Komplette Neuregelung der Saldosteuersatzmethode
Steuerpflichtige Personen, die jährlich nicht mehr als CHF 5‘024‘000 Umsatz aus steuerbaren Leistungen erzielen und im gleichen Zeitraum nicht mehr als CHF 108‘000 Steuern, berechnet nach dem massgebenden Saldosteuersatz (SSS), bezahlen, können die MWST nach der SSS-Methode abrechnen. Neu wird diese Möglichkeit auf Unternehmen mit Sitz bzw. Betriebsstätte im Inland beschränkt. Elektronische Plattformen können diese Methode ebenfalls nicht wählen.
Vor dem Hintergrund «weiterer Vereinfachungen» wurde die SSS-Thematik im Rahmen der teilrevidierten MWSTV neu geregelt. Dabei ist festzustellen, dass die für Betroffene praktische Sonderregelung für Mischbranchen ersatzlos gestrichen wird. Neu wird nämlich für jede Tätigkeit, deren Anteil am Gesamtumsatz aus steuerbaren Leistungen mehr als 10 % beträgt, ein dafür festgelegter SSS bewilligt. Theoretisch können (bzw. müssen) somit bis zu neun SSS angewendet werden.
Ebenso fallen für die SSS-Anwender künftig die besonderen Verfahren wie bspw. bei Export und Leistungen an Begünstigte sowie beim Abzug einer fiktiven Vorsteuer weg. Aufgrund der Änderungen werden SSS-Anwendern Anrechnungen im Vorsteuerbereich verweigert.
Ein Kernpunkt der Neuerungen betrifft den Wechsel in der Abrechnungsmethode. Während bis Ende 2024 bei einem Wechsel der Abrechnungsmethode grundsätzlich nur Immobilien von einer steuerlichen Korrektur betroffen sein können, sind ab dem 1. Januar 2025 steuerliche Korrekturen generell auch auf Gegenständen und Dienstleistungen (wie Warenlagern und Sachanlagen) mehrwertsteuerlich zu prüfen. Es gelten dabei sinngemäss die Bestimmungen zu Eigenverbrauch und Einlageentsteuerung.
Die Neuregelung der SSS-Methode mag dogmatisch und systematisch korrekt sein, sie führt aber zu einer Komplexität, die sich mit dem gesetzgeberischen Ziel einer wesentlichen Vereinfachung der Abrechnung der MWST kaum mehr vereinbaren lässt. Unternehmen, die nach SSS abrechnen, sollten die Änderungen, die sich in diesem Bereich ab 1. Januar 2025 ergeben werden, detailliert studieren und gegebenenfalls einen Wechsel zur – inzwischen u.U. einfacheren und weniger fehleranfälligen – effektiven Abrechnungsmethode erwägen.
Der Wechsel von der SSS-Methode auf die effektive Abrechnungsmethode (und umgekehrt) muss bis Ende Februar der Steuerperiode (Kalenderjahr), ab der der Wechsel erfolgen soll, gemeldet werden.
Zu erwähnen ist, dass die Pauschalsteuersatzmethode – wenn auch in einem kleineren Masse – auch von den Neuerungen betroffen ist.
Jährliche Abrechnung
Ab dem 1. Januar 2025 wird es für Unternehmen mit einem steuerbaren Umsatz von maximal
CHF 5’005’000 pro Steuerperiode möglich sein, die MWST mittels einer einzigen jährlichen Abrechnung zu deklarieren. Wer sich für diese Methode entscheidet, wird grundsätzlich basierend auf dem Vorjahr 3 Ratenzahlungen (bzw. bei Anwendung der SSS-Methode 1 Ratenzahlung) leisten müssen (Fälligkeiten 30.05., 30.08. und 30.11. bzw. nur 30.08.). Die jährliche MWST-Abrechnung sowie die Restzahlung der MWST-Schuld sind per 28.02. des Folgejahres fällig. Die ESTV wird voraussichtlich einen Mindestbetrag für die Ratenzahlungen festlegen, selbst wenn in der Vergangenheit jeweils Vorsteuerüberhänge erzielt wurden.
Die jährliche Abrechnung muss bis spätestens Ende Februar der Steuerperiode beantragt werden, für die die jährliche Abrechnung erfolgen soll und wird nur bewilligt, wenn in den letzten drei Steuerperioden oder seit Beginn der Steuerpflicht alle Abrechnungen fristgerecht eingereicht und die Steuerforderungen vollumfänglich und fristgerecht bezahlt wurden.
Die ESTV wird eine Praxis zur jährlichen Abrechnung veröffentlichen – diese liegt zurzeit noch nicht vor. Gerne informieren wir Sie, sobald die Details bekannt sind.
Subventionen
Ob die von einem Gemeinwesen ausgerichteten Mittel als Subventionen oder als (steuerbares) Leistungsverhältnis qualifizieren, ist aktuell regelmässig Gegenstand von Diskussionen mit der ESTV. Entsprechend umfangreich ist auch die diesbezügliche Rechtsprechung.
Neu gilt ab dem 1. Januar 2025 die folgende Regelung: Bezeichnet ein Gemeinwesen von ihm ausgerichtete Mittel gegenüber der Empfängerin ausdrücklich als Subvention oder als öffentlich-rechtlichen Beitrag (gegebenenfalls auch als Finanzhilfe, Abgeltung oder Staatsbeitrag), so gelten diese Mittel als Subvention. Aus diesem Grund sollten bereits jetzt bei Vorliegen von Subventionen oder anderen öffentlich-rechtlichen Beiträgen in Verträgen, Vereinbarungen und Zusicherungen die Mittel klar als Subvention oder anderer öffentlich-rechtlicher Beitrag bezeichnet werden. Wird darauf verzichtet, wird die Prüfung des Vorliegens einer Subvention durch die ESTV nach den bisherigen Kriterien erfolgen.
Ausgenommene Leistungen im Gesundheitsbereich
Im Rahmen der Teilrevision wird auch der Katalog der von der Steuer ausgenommenen Leistungen erweitert. Insbesondere im humanmedizinischen Gesundheitsbereich sind neue Steuerausnahmen zu verzeichnen. Neu werden gewisse Infrastrukturabgaben bei Ambulatorien und Tageskliniken von der MWST entlastet.
Ebenfalls neu von der Steuer ausgenommen sind Leistungen der koordinierten Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen (auch Managed Care genannt).
Zudem werden gewinnorientierte Spitex-Organisationen den gemeinnützigen Spitex-Organisationen in Bezug auf die mehrwertsteuerliche Behandlung der hauswirtschaftlichen Leistungen gleichgestellt.
Elektronische Plattformen
Elektronische Plattformen können in der Schweiz neu mehrwertsteuerpflichtig werden, auch wenn sie den Umsatz zwischen Verkäufer und Käufer nur vermitteln. Die Plattformbesteuerung gilt vorerst nur für Lieferungen, nicht für Dienstleistungen.
Eine Plattform wird obligatorisch mehrwertsteuerpflichtig und muss ihre Umsätze mit Schweizer Kunden versteuern, wenn ihr weltweiter steuerbarer bzw. steuerbefreiter Umsatz mindestens CHF 100‘000 beträgt und sie Gegenstände liefert, die sich bereits im Inland befinden oder sie mindestens CHF 100‘000 mit Kleinsendungen erzielt, die ins Inland eingeführt werden. Der Sitz der Plattform – In- oder Ausland – ist dabei irrelevant.
Werden Lieferungen über eine elektronische Plattform erbracht, gilt die gesetzliche Fiktion, dass neu zwei Lieferungen stattfinden, nämlich eine steuerbefreite Lieferung vom Verkäufer an die Plattform und eine steuerbare Lieferung von der Plattform an den Käufer. Die Detailregelungen sind noch offen. Es ist zu befürchten, dass die ursprünglich gut gemeinte Besteuerung der Plattformen übers Ziel schiesst und die Umsetzung noch Kopfzerbrechen verursachen wird.
E-Learning
Bildungsveranstaltungen unterliegen aktuell dem Tätigkeitsortsprinzip. Dies führt dazu, dass beispielsweise eine Online-Bildungsveranstaltung eines Schweizer Ausbildungsinstituts, an der ausschliesslich Personen mit Wohnsitz im Ausland teilnehmen, mit der Schweizer MWST belastet werden, wenn das Bildungsinstitut für die Versteuerung der Bildungsleistungen optiert hat. Neu gilt für Onlineunterricht das Empfängerortsprinzip. In obgenanntem Beispiel fällt somit keine Schweizer MWST mehr an.
Reisebüro und Reiseleistungen
Neu fallen durch Reisebüros weiterverkaufte Reiseleistungen und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen des Reisebüros unter die Steuerausnahme. Um Reiseleistungen handelt es sich, wenn ein Unternehmen ein Bündel von weiterverkauften Einzelleistungen erbringt, das zumindest eine Beherbergungs- oder Beförderungsleistung enthält. Reisebüros mit Sitz im Ausland haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Vergütung der Vorsteuern. MWST-pflichtige Reisebüros mit Sitz in der Schweiz haben zumindest Anspruch auf den Vorsteuerabzug auf Vorleistungen (Verwaltungsleistungen), sofern die weiterverkauften Reiseleistungen im Ausland bewirkt oder genutzt werden.
Fazit
Die Teilrevision des MWSTG und der MWSTV per 1. Januar 2025 betrifft nicht nur elektronische Plattformen, Händler, die Onlinehandel auf solchen Plattformen betreiben und Reisebüros. Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat die Teilrevision zum Anlass genommen, weitere, zum Teil sehr bedeutende Änderungen vorzunehmen, die eine Vielzahl von steuerpflichtigen Personen betreffen können. Wir empfehlen Ihnen, sich frühzeitig mit den Änderungen vertraut zu machen und erforderliche Massnahmen rechtzeitig zu ergreifen.
Gerne stehen Ihnen unsere MWST-Berater für detaillierte Informationen zur Verfügung.