Erbschaftssteuerinitiative – Wie weiter?

In diesem Frühjahr hat die Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert» (sog. «Zukunftsinitiative») der JUSO grosse Wellen geschlagen. Um die Wogen etwas zu glätten, hat der Bundesrat im August 2024 den von den Initianten geforderten Massnahmen zur Verhinderung von Steuervermeidungen mit einem Wegzugsverbot oder einer Wegzugssteuer eine klare Absage erteilt. Seither ist es um die Initiative etwas ruhiger geworden. Die Initiative hat aber keineswegs an Brisanz verloren. Doch was will die Erbschaftssteuerinitiative, wie ist der aktuelle Stand und was kann gegebenenfalls unternommen werden?

Was will die Initiative?

Die Initiative fordert eine Nachlass- und Schenkungssteuer von 50 % auf Vermögen von über CHF 50 Mio. Diese soll vom Bund ergänzend zu den bereits bestehenden kantonalen oder kommunalen Erbschafts- und Schenkungssteuern erhoben werden. Steuerpflichtige Personen können auf allen Schenkungen und Nachlässen einen einmaligen Freibetrag von CHF 50 Mio. geltend machen. Dabei spielt die Anzahl der Personen oder Institutionen, die Zuwendungen aus diesem Nachlass erhalten, keine Rolle.

Gemäss Initiativtext sind für Unternehmensnachfolgen keine Ausnahmen vorgesehen. Zudem sollen auch Übertragungen an (Ehe-)Partner und an direkte Nachkommen sowie Zuwendungen an steuerbefreite gemeinnützige Institutionen und Hilfswerke besteuert werden. Überdies bestehen in Bezug auf die Besteuerung von in der Schweiz gelegenen Immobilien zahlreiche offene Fragen und Unsicherheiten.

Gleichzeitig fordert die Initiative, dass Bund und Kantone Bestimmungen zur Verhinderung von Steuervermeidungen einführen. Damit soll eine lückenlose Besteuerung der Nachlässe und Schenkungen sichergestellt werden. Die Initiative soll im Fall der Annahme bereits am Tag der Volksabstimmung in Kraft treten, ohne dass die Bestimmungen und die konkrete Umsetzung bereits bekannt wären. Diese müssten nach der Abstimmung noch in einem Ausführungserlass konkretisiert und geregelt werden.

Die neue nationale Erbschaftssteuer würde damit erheblich in die Finanzautonomie der Kantone eingreifen, da die Steuerhoheit zur Erhebung der Erbschafts- und Schenkungssteuern heute ausschliesslich bei den Kantonen liegt. Da die nationale Erbschafts- und Schenkungssteuer zusätzlich zu den bereits bestehenden kantonalen Erbschafts- und Schenkungssteuern erhoben würde, dürfte es in zahlreichen Fällen zu einer Mehrfachbesteuerung der Nachlässe und Schenkungen kommen. In vielen Kantonen sind zwar die Nachkommen von der kantonalen oder kommunalen Erbschafts- und Schenkungssteuer befreit. Einige Kantone besteuern jedoch auch direkte Nachkommen unter Anwendung eines Freibetrages. Werden sowohl auf kantonaler wie auch auf Bundesebene Erbschafts- oder Schenkungssteuern fällig, kann dies in gewissen Fällen zu einer konfiskatorischen, effektiven Steuerbelastung von 70 % bis nahezu 100 % führen.

Wie ist der aktuelle Stand?

Der Bundesrat hat die Initiative bereits Mitte Mai 2024 behandelt und zu Handen des Parlaments verabschiedet und ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen. Parallel dazu laufen auf Parlamentsebene Abklärungen und Bestrebungen, die Initiative wegen der rechtstaatlich sehr problematischen Rückwirkung sowie wegen Verletzung der Einheit der Materie für ungültig zu erklären.

In der am 14. Juni 2024 eingereichten Interpellation 24.3763 forderte Nationalrätin Schneeberger den Bundesrat zudem auf, rasch Klarheit darüber zu schaffen, welche Massnahmen zur Verhinderung der Steuervermeidung konkret in Betracht kommen und wie er sich die potentielle Umsetzung der Initiative vorstellt.

Der Bundesrat liess am 21. August 2024 in seiner Antwort auf die Interpellation Schneeberger verlauten, dass er die verlangte rückwirkende Besteuerung von Nachlässen und Schenkungen staatspolitisch für höchst problematisch hält. Die Umsetzung der Volksinitiative müsse in jedem Fall völkerrechts- und verfassungskonform erfolgen. Der Bundesrat schliesst deshalb eine Einschränkung oder ein Verbot des Wegzuges aus der Schweiz aus. Auch einer Wegzugssteuer steht der Bundesrat ablehnend gegenüber. Denkbar wäre allenfalls ein «nachwirkendes Besteuerungsrecht» bei einer zeitnahen Schenkung nach dem Wegzug. Ob dieses nachwirkende Besteuerungsrecht jedoch mit dem ausländischen Recht (des Zuzugsstaates) vereinbar wäre, ist höchst fraglich. Der Bundesrat hat ferner in Aussicht gestellt, dass er sich bis spätestens Anfang Februar 2025 in der Botschaft an das Parlament eingehend zur Auslegung der Volksinitiative und zu ihrer möglichen Umsetzung im Falle einer Annahme äussern wird.

Auch wenn die Stellungnahme des Bundesrates und die deutliche Absage an eine Wegzugssteuer zu einem spürbaren Aufatmen bei potenziell Betroffenen geführt hatte, hat die Initiative nichts an ihrer Brisanz verloren. Nach wie vor besteht zu wenig Klarheit, um Entwarnung geben zu können. Zwar scheinen zumindest im Moment eine rückwirkende Besteuerung sowie eine Wegzugssteuer vom Tisch zu sein. Dennoch müssen die Entwicklungen weiterhin sorgfältig beobachtet und nötigenfalls Vorkehrungen getroffen werden.

Was kann unternommen werden?

Neben dem bereits viel diskutierten temporären oder langfristen Wegzug ins Ausland, steht eine vorzeitige Nachfolgeplanung im Vordergrund. Möglich wäre auch eine Vermögensumstrukturierung und Verselbständigung des Vermögens.

Durch eine rechtzeitige Nachfolgeplanung kann das Vermögen bereits heute auf die nächste Generation verteilt und gegebenenfalls unter Nutzniessungsvorbehalt übertragen werden. Bei einer Familie mit vier Kindern könnte so bereits heute ein Vermögen von bspw. CHF 250 Mio. zu je CHF 50 Mio. auf die vier Kinder übertragen werden. CHF 50 Mio. verblieben noch bei den Eltern. Damit könnte künftig jedes Familienmitglied vom individuellen Freibetrag von CHF 50 Mio. profitieren. Die latente Steuerlast wird dabei allerdings auf die nächste Generation verschoben. Diese wäre dann ihrerseits bei ihrer eigenen Nachfolgeplanung durch die Initiative betroffen.

Möglich wäre ferner eine Verselbständigung des Vermögens bspw. durch Errichtung eines Trusts oder einer Stiftung. Bereits heute werden der Trust und die liechtensteinische Familienstiftung als bewährte Nachlass- und Nachfolgeplanungsinstrumente bei grösseren Vermögen eingesetzt. Im Gegensatz zum schweizerischen ist das liechtensteinische Stiftungsrecht deutlich flexibler ausgestaltet und lässt auch privat ausgerichtete (Familien-)Stiftungen zu. Allerdings unterliegt die Übertragungen zu Lebzeiten auf eine privatnützige Stiftung in den meisten Kantonen der Schenkungssteuer.

Vor dem Hintergrund der Erbschaftssteuerinitiative lohnt es sich somit in jedem Fall, sich bereits heute Überlegungen zur Vermögensstruktur und Verteilung des dereinstigen Nachlasses zu machen. Sind die Vermögenswerte mehrheitlich in Beteiligungen oder Liegenschaften gebunden, schränkt dies den Gestaltungsspielraum zusätzlich ein. Bei diesen Vermögenswerten besteht zudem die Unsicherheit, zu welchem wirklichen Wert diese dereinst in den Nachlass Eingang finden.

Wann besteht Handlungsbedarf?

Sofern Ihr Vermögen grösser als CHF 40 Mio. ist, oder wesentliche Vermögenswerte in Beteiligungen oder Liegenschaften gebunden sind, empfiehlt es sich, die Vermögenssituation genauer zu analysieren. Zeigt sich dabei, dass Sie potenziell von der nationalen Erbschaftssteuer betroffen sind oder sein können, besteht weiterer Abklärungsbedarf und Sie sollten sich Gedanken zu Ihrer Vermögensstruktur und Ihrer Nachlass- und Nachfolgeplanung machen.

Gerne stehen Ihnen unsere Steuerspezialisten für eine Analyse und Abschätzung des Handlungsbedarfs, oder auch nur für ein erstes informelles Gespräch zur Verfügung.

Fazit

Mit der Zukunftsinitiative der JUSO ist eine nationale Erbschaftssteuer einmal mehr auf die politische Agenda geraten. Auch wenn der Bundesrat rasch verlauten liess, die Umsetzung müsse zwingend verfassungs- und völkerrechtskonform erfolgen und einer Wegzugssteuer eine Absage erteilte, hat die Initiative nicht an Brisanz verloren. Spätestens wenn die durch den Bundesrat bis Februar 2025 in Aussicht gestellte Botschaft an das Parlament vorliegt, dürfte eine konkretere Einschätzung der Lage möglich sein.

Autor

Michael Leiser
dipl. Steuerexperte

Lesezeit: 10 Min 17. Oktober 2024