Berufliche Vorsorge – Verordnungsänderungen per 1. Oktober 2020

Der Bundesrat hat punktuelle Anpassungen von vier Verordnungen zur beruflichen Vorsorge verabschiedet. Es geht darum, einige Bestimmungen an die aktuellen Entwicklungen anzupassen bzw. die parlamentarischen Vorstösse umzusetzen.

Die Bandbreite des technischen Zinssatzes wird gesenkt. Die Kürzungsmöglichkeit der Todesfallleistungen bei Straftaten wird ausgeweitet. Die Verwendung von Guthaben der Säule 3a zum Einkauf in die 2. Säule wird verbessert. Die Möglichkeit der Direktinvestition in Infrastrukturen wird ermöglicht.

Weiter hat die Schweizerische Kammer der Pensionskassen-Experten die Obergrenzen per 30. September 2020 für die Empfehlung des technischen Zinssatzes gemäss Fachrichtlinie 4 festgelegt.

Die folgenden angepassten Verordnungen treten am 1. Oktober 2020 in Kraft:

  • Verordnung über die Anlagestiftungen (ASV)
  • Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZV)
  • Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2)
  • Verordnung über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV 3 – Die Artikel 3 Abs. 2 lit. b und 3a treten am 1. Januar 2021 in Kraft)

Im Weiteren gehen wir auf einige Verordnungsänderungen im Detail ein.

1. Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZV)

1.1 Art. 8 FZV – Senkung des technischen Zinssatzes von neu 1 % – 3.5 % (bisher 2.5 % – 4.5 %)

Zur Berechnung der Ein- und Austrittsleistungen bei Versicherungsplänen mit Leistungsprimat wird für den technischen Zinssatz ein Zinsrahmen vorgegeben. Die bisherige untere Bandbreite war in Anbetracht der Renditen zu hoch. Mit der Senkung des technischen Zinssatzes folgt man auch der Realität an den Finanzmärkten. Mit dem neuen Zinsrahmen werden fast alle derzeit verwendeten technischen Zinssätze abgedeckt.

1.2 Art. 15a (neu) – Kürzung von Leistungen bei vorsätzlicher Herbeiführung des Todes der versicherten Person durch die begünstigte Person

Der neue Artikel sieht vor, dass die Freizügigkeitseinrichtungen das Recht haben, Leistungen an Begünstigte zu kürzen oder zu verweigern, wenn diese den Tod der versicherten Person vorsätzlich herbeigeführt haben.

Der neue Artikel ist als Kann-Bestimmung ausgestaltet. Möchte eine Freizügigkeitseinrichtung von der Möglichkeit Gebrauch machen, eine Todesfallleistungen zu kürzen oder zu verweigern, muss sie hierfür eine reglementarische Grundlage schaffen. Im Reglement selbst muss vorgesehen sein, ob und unter welchen Voraussetzungen es zur Kürzung oder Verweigerung der Leistung kommt.

2. Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2)

2.1 Art. 1h Abs. 1 BVV 2 (Art. 1 Abs. 3 BVG) – Einhaltung Versicherungsprinzip

Das Versicherungsprinzip ist eingehalten, wenn die Vorsorgeeinrichtungen mindestens einen bestimmten Anteil der Gesamtheit der Beiträge zur Finanzierung der Leistungen für die Risiken Tod und Invalidität aufwendet. Der bisherige Grenzwert wird von 6 % auf 4 % gesenkt.

Bei einem zu hohen vorgegebenen Prozentsatz werden die Vorsorgeeinrichtungen verpflichtet, zu viel Kapital für die Risikodeckung bereitzustellen und überhöhte Risikoprämien einzubehalten.

2.2 Art. 53 ff. BVV2 – Erweiterung der Vermögensanlage

Die Infrastrukturanlagen galten vor dieser Verordnungsänderung als alternative Anlagen. Diese Anlagen mussten gemäss Art. 53 Abs. 4 BVV 2 bisher kollektiv angelegt werden. Mit dieser Verordnungsänderung können Infrastrukturanlagen gemäss Art. 53 Abs. 2 BVV 2 auch direkt angelegt werden, wenn sie angemessen diversifiziert sind. In den Erläuterungen zu der Verordnungsänderung steht, dass eine Diversifizierung angemessen ist, wenn die Gegenpartei 1 % des Vorsorgevermögens nicht überschreitet. Es sind Anlagen im Inland und Ausland zulässig.

Zusätzlich zu beachten ist, dass es sich bei der Direktanlage nur um eine Anlage ohne Hebel handeln darf, ansonsten gelten sie wie bisher als alternative Anlagen (siehe Art. 53 Abs. 5 BVV 2).

Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat in einer nachträglichen Rechtsinterpretation „Auslegung der Änderung von Art. 53 und 55 BVV 2: Infrastrukturanlagen“ folgendes spezifiziert: Der Einsatz von Fremdkapital auf Ebene einer Infrastruktur–Firma gilt nicht als Hebel. Solche Anlagen (z.B. Beteiligungen an solchen Firmen / Projekten) sind demnach Infrastrukturanlagen gemäss Ergänzung von Buchstabe d bis in Art. 53 Abs. 1 BVV 2. Werden jedoch Beteiligungen an dieser Firma / an diesem Projekt gehebelt, zum Beispiel auf Fund oder Fund of Fund Stufe, dann gilt dies als Hebel. Ein Hebel ist weiterhin erlaubt, sofern er keine Nachschusspflicht aus-löst, jedoch wird ein solches Finanzvehikel weiterhin als alternative Anlagen qualifiziert.

Hat eine Vorsorgeeinrichtung Anlagen in Infrastrukturen getätigt, sind folgende Fragestellungen zu beantworten:

  • Handelt es sich bei unseren Anlagen um eine mit oder ohne Hebel?
    Ja → Alternative Anlage gemäss BVV 2
    Nein → 10 %-Limite beachten
  • Sind Direktinvestitionen getätigt worden, prüfen, ob diese jeweils unter 1 % des Vorsorgevermögens liegen
  • Ist das Anlagereglement anzupassen?

Zur Illustration die massgebenden Verordnungsartikel im Überblick.

Art. 53 Abs. 1 BVV 2 – Zulässige Anlagen

Als Anlagen für das Vermögen einer Vorsorgeeinrichtung sind zulässig:

Bisheriger Verordnungstext

  1. alternative Anlagen wie solche in Hedge Funds, Private Equity, Insurance Linked Securities und Rohstoffen

Neuer Verordnungstext ab 1. Oktober 2020

  1. bis Anlagen in Infrastrukturen;
  2. alternative Anlagen wie solche in Hedge Funds, Private Equity, Insurance Linked Securities und Rohstoffen

Art. 53 Abs. 2 BVV 2 – Zulässige Anlagen

Bisheriger Verordnungstext

Die Anlagen nach Absatz 1 Buchstaben a–d können als direkte Anlagen oder mittels kollektiver Anlagen nach Artikel 56 oder derivativer Finanzinstrumente nach Artikel 56a vorgenommen werden.

Neuer Verordnungstext ab 1. Oktober 2020

Die Anlagen nach Absatz 1 Buchstaben a–d können als direkte Anlagen oder mittels kollektiver Anlagen nach Artikel 56 oder derivativer Finanzinstrumente nach Artikel 56a vorgenommen wer-den.

Dies gilt auch für Anlagen nach Absatz 1 Buchstabe dbis, falls sie angemessen diversifiziert sind, andernfalls gelten für diese Anlagen die Anforderungen nach Absatz 4.**

**Art. 53 Abs. 4 BVV 2: Alternative Anlagen dürfen nur mittels diversifizierter kollektiver Anlagen, diversifizierter Zertifikate oder diversifizierter strukturierter Produkte vorgenommen werden.

Art. 53 Abs. 5 BVV 2 – Ein Hebel ist nur zulässig in

  1. alternativen Anlagen;
  2. regulierten kollektiven Anlagen in Immobilien, wenn die Belehnungsquote auf 50 Prozent des Verkehrs-wertes begrenzt ist;
  3. einer Anlage in einer einzelnen Immobilie nach Artikel 54b Absatz 2;
  4. Anlagen in derivativen Finanzinstrumenten, wenn keine Hebelwirkung auf das Gesamtvermögen der Vorsorgeeinrichtung ausgeübt wird.

 

Art. 55 Bst. f BVV 2 – Kategorienbegrenzungen

Bisheriger Verordnungstext

Für die einzelnen Anlagekategorien gelten bezogen auf das Gesamtvermögen folgende Begrenzungen:

Neuer Verordnungstext ab 1. Oktober 2020

Für die einzelnen Anlagekategorien gelten bezogen auf das Gesamtvermögen folgende Begrenzungen:

f. 10 Prozent: für Anlagen in Infrastrukturen

3. Verordnung über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV 3)

3.1 Art. 2a (neu) – Kürzung von Leistungen bei vorsätzlicher Herbeiführung des Todes der versicherten Person durch die begünstigte Person

Nun werden auch den Einrichtungen der gebundenen Selbstvorsorge (Art. 1 Abs. 1 lit. a und b BVV 3) die Möglichkeit geboten, Leistungen an Begünstige zu kürzen oder zu verweigern, wenn diese den Tod der versicherten Person vorsätzlich herbeigeführt haben, siehe auch Art. 15a FZV.

3.2 Art. 3a (neu), Absatz 2, Buchstabe a – Übertragung von Vorsorgekapital in Vorsorgeeinrichtungen oder in andere anerkannte Vorsorgeformen

Die Versicherten hatten bislang die Möglichkeit, das Vorsorgeverhältnis der Säule 3a zu kündigen und das Guthaben für den Einkauf in eine andere Vorsorgeeinrichtung zu verwenden. Der Vorgang war steuerneutral. Bisher war die Übertragung aber nur zulässig, sofern das Guthaben in der Säule 3a vollständig aufgelöst und für den Einkauf verwendet wurde. Überstieg der Betrag der Säule 3a den maximal möglichen Einkaufsbetrag in die 2. Säule, war eine Auflösung unzulässig.

Neu ist eine Teilübertragung von Vorsorgeguthaben der Säule 3a in die 2. Säule zulässig, sofern der Einkauf die Lücke vollständig abdeckt. Eine nur teilweise Deckung der Lücke in der 2. Säule durch eine Teilübertragung der Säule 3a wird hingegen weiterhin als unzulässig erachtet. Die Übertragung ist bis zum Erreichen des ordentlichen Rentenalters möglich. Wird die Erwerbstätigkeit weitergeführt, ist eine Übertragung auch künftig möglich. Sollte eine Versicherungspolice 3a innerhalb der fünf Jahre vor Erreichen des ordentlichen Rentenalters fällig werden, ist eine Übertragung der fällig gewordenen Leistungen in eine andere Säule 3a-Einrichtung nicht mehr möglich.

4. Technischer Zinssatz einer Vorsorgeeinrichtung – Obergrenze per 30. September 2020 für die Empfehlung des technischen Zinssatzes gemäss Fachrichtlinie 4

Die Schweizerische Kammer der Pensionskassen-Experten (SKPE) hat folgende Obergrenzen per 30. September 2020 für die Empfehlung des technischen Zinssatzes gemäss Fachrichtlinie 4 festgelegt:

per 30.09.20

per 30.09.19

Obergrenze bei Verwendung der Periodentafel

1.68 %

1.83 %

Obergrenze bei Verwendung der Generationentafel

1.98 %

2.13 %

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Autoren

Rita Casutt
dipl. Wirtschaftsprüferin

Andreas Oester
dipl. Wirtschaftsprüfer

Lesezeit: 10 Min
2. August 2021